286.
Minister v. Mittnacht an Bismarck.
Stuttgart 7. Juni 1875.
Ew. Durchlaucht
1875 bitte ich ganz ergebenst, mir gestatten zu wollen, unmittelbar
7.6. und in privater Weise gegen Hochdieselben über einen Gegen-
stand mich auszusprechen, bezüglich dessen ich mit meinen Collegen
im diplomatischen Ausschuß des Bundesraths ohne Vorwissen
Ew. Durchlaucht mich nicht ins Benehmen setzen möchte.
Die Thatsache, daß, während in jüngster Zeit Kriegs-
befürchtungen in so eigenthümlicher Weise Europa beunruhigt
haben, die deutschen Bundesregierungen in ihrer Kenntniß von
Existenz, Grund und Tragweite einer Krise auf nicht zuver-
lässige Zeitungsnachrichten sich beschränkt sahen, dürfte es recht-
fertigen und nicht als unbescheiden oder vordringlich erscheinen
lassen, wenn die Vertreter der Regierungen sich die Frage vor-
legen, ob ein solches Verhältniß nicht der Besserung bedürftig
und fähig und ob sie nicht einen Anstoß hiezu zu geben befugt
und verpflichtet seien.
Deutschland setzt das größte, ein nie dagewesenes Vertrauen
in die völkerrechtliche Vertretung des Reichs durch Se. Majestät
den Kaiser, in die Leitung der deutschen Politik durch Ew. Durch-
laucht feste und glückliche wand. Immerhin ist zur Erklärung
des Kriegs im Namen des Reichs, wenn dessen Gebiet nicht
durch einen Angriff bedroht, die Zustimmung des Bundesraths
erfordert und besteht im offenbaren Zusammenhang hiermit
im Bundesrath ein besonderer Ausschuß für die auswärtigen
Angelegenheiten.
Gewiß ist dieser Ausschuß nicht zu eigentlicher Theilnahme
an der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten berechtigt