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um Sie an ein mir bei unserem letzten persönlichen Ersehen 1876
im Novbr. 74 freundlich gegebenes Versprechen zu erinnern in 16.2.
Betreff meines Schwiegersohnes Brauchitsch.
Mag man gleich Nepotismus und Stellenjägerei verwerf-
lich finden wie ich: dennoch kann man sich bei einiger Welt-
erfahrung der Thatsache nicht verschließen, daß persönliche
Rücksichten bei der Vertheilung der Rollen in dieser Welt oft
großen Einfluß üben, und daß man mit catonischen Grund-
sätzen vielleicht die Anerkennung Gleichgesinnter, selten aber
praktische Erfolge erreicht.
Erlauben Sie daher, das Ihnen einst mündlich Vorgetragene
zu wiederholen, daß Brauchitsch, früher Landrath in Genthin,
seit 4½ Jahren aber Regierungsrath in Potsdam, während
des französischen Krieges Präfect in Versailles, in allen diesen
Stellungen, namentlich in der letztgenannten, unter Ihren
eigenen Augen dargethan, daß er für höhere, auch für selbst-
ständige Verwaltungsstellen wohl geeignet ist. Sie meinten
daher auch, daß der Genannte längst in eine Präsidenten-Stelle
gerückt sei, und versprachen dafür zu sorgen, daß bisher Ver-
säumtes bald nachgeholt werde.
Das in widernatürlicher Ehe mit der amtlichen Erzeugung
von Präsidenten, Vicepräsidenten 2c. betraute und — wie Sie
wissen — mir immer sehr ungeneigte Minister-Paar vereinigt
sich aber viel leichter über dasjenige, was zu unterlassen als
über das, was zu thun sei; so haben sie sich bislang immer
darin einig gefunden, daß Brauchitsch nicht zu berücksichtigen sei.
Sollte dies nun wohl auch ferner so bleiben, wenn der
Reichskanzler und Ministerpräsident wirklich das Verlangen
äußern sollte, daß Brauchitsch nächstens hervorzuziehen sei? —
Kaum glaublich! —
Nun sind, soviel ich erfahren, zunächst die Vicepräsidenten-
Stellen in Cassel und in Schleswig zu vergeben. — Der Soldat
hat zwar ohne Murren dahin zu gehen, wohin er geschickt wird;
Aus Bismarcks Briefwechsel. 31