— 482 —
1876 in der Beamtenwelt ist man indeß erfahrungsmäßig nicht so
15. 2. strenge.
Wenn ich nun anführe, daß meine Tochter im vergangenen
Sommer an acutem Gelenk-Rheumatismus lebensgefährlich
erkrankte und davon noch nicht ganz wiederhergestellt ist, so ist
es begreiflich, daß ich die Versetzung nach dem nordischen, von
Wasser umgebenen und von rauhen Winden umbrausten Schles-
wig nicht wünschen kann, daß ich mich dagegen über die Ver-
setzung meines Eidams nach Cassel herzlich freuen würde.
Und damit bin ich fertig. Die Supplik ist mir nicht ganz
leicht geworden. Möglich erschien mir eine solche überhaupt
nur Ihnen gegenüber. Sollte diese Bitte eines erprobten
alten Freundes keinen Wiederhall finden? — Zwar bin ich
jetzt nicht einmal mehr die Ziska-Haut auf der Trommel, aber
genug! — Selbstanpreisung wäre entweder überflüssig oder
— lächerlich. —
Mögen Sie schließlich noch wissen, daß Ihr alter aus-
rangirter Gefährte wie ein absterbender Cactus in seinem wind-
sicheren Glashauswinkel vielleicht noch eine Weile fortvegetiren
dürfte, bis der an der Wurzel nagende Todeswurm auch die
letzten Fasern zerschnitten haben wird. Aber zu produziren
und zu brauchen ist er nicht mehr, denn mit den mageren
Blüthen sind auch die scharfen Stacheln abgefallen. In dieser
rein vegetirenden Gegenwart freue ich mich doch meiner Ver-
gangenheit, so viele beschmutzte, leere und zerrissene Blätter es
auch darin geben mag; hoffe ich doch auf eine Gottes gnädigen
Verheißungen entsprechende Zukunft, in welcher Glück und
Glanz dieser Erde nur noch wie Schlacken, wie Ueberbleibsel
erscheinen, die von belebender Wärme oder auch von ver-
zehrender Gluth Zeugniß ablegen. Aber verzeihen Sie diesen
Nachmittagsprediger-Ton, den Sie, der Sie noch mitten in dem
Getriebe der Welt stehen, wie die treibende Feder in der Zeituhr,
natürlich abgeschmackt finden werden. Aber innigst hoffe und