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Vermittlung, von hier zukommen zu lassen, hält mein Vater 1877
aber für Gambetta selbst nicht nützlich und rathsam. Wenn es 30.10.
in Frankreich oder auch nur bei den dortigen Republikanern
bekannt würde, daß Gambetta irgend welche Verbindung mit
dem deutschen Reichskanzler hätte, so würde ihm das voraus-
sichtlich nicht nur bei seinen Landsleuten im Allgemeinen, son-
dern auch bei seiner Partei schaden, und er selbst würde es
vielleicht bald als lästig und drückend empfinden, wenn er durch
solche vermittelte Berührungen mit dem prussien Bismarck in
mancher Hinsicht sich dem ascendant des letzteren nicht mehr
entziehen könnte.
Die Eindrücke, welche Gambetta auf Grund seiner wieder-
holten Anwesenheiten in Deutschland gewonnen hat, und nach
welchen er sich überzeugt zu haben scheint, daß das ganze
deutsche Volk den Frieden wünscht, findet mein Vater sehr er-
freulich; es kann für die Entwickelung und das Gedeihen beider
Nachbarländer nur vortheilhaft sein, wenn ein so einflußreicher
und überlegter Politiker wie Gambetta diese Ueberzeugung in
sich befestigt und seinen Landsleuten nach Möglichkeit mitzu-
theilen sucht. Wie Ihnen, verehrter Graf, wohl bekannt sein
wird, ist mein Vater der Ansicht, daß die republikanische Staats-
form, wie sie sich bis zum 16. Mai ruhig entwickeln konnte,
die einzige in Frankreich ist, welche eine friedliche Gestaltung
seiner Beziehungen zu Deutschland dauernd ermöglichen kann.
Die Masse des Volkes ist, wie in allen Ländern der Welt, so
auch in Frankreich und Deutschland, friedliebend, und wenn
man von den Parisern und den jesuitischen Elementen absieht,
kann man wohl dreist behaupten, daß die französische Nation
einer neuen kriegerischen Verwickelung ebenso abgeneigt ist, als
die deutsche. Mein Vater glaubt deshalb nicht, daß wir durch
den Nationalhaß und das Revanchebedürfniß unserer westlichen
Nachbarn allein in die Lage gebracht werden würden, in naher
Zeit einen neuen französischen Angriff abwehren zu müssen,