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1877 wenn nicht ein anderes Agens noch hinzutritt. Die Gefahr läge
30. 10. nur darin, daß nach einem etwa gelungenen Staatsstreich die
französische Armee im Dienste des Vaticans zu einem Kreuz-
zuge gegen Deutschland aufgeboten würde, sei es noch unter
den jetzigen Machthabern, sei es unter einem an die Spitze ge-
kommenen Prätendenten. Von den letzteren würde — falls
die Thronbesteigung eines derselben durch einen Gewaltstreich
erzwungen wäre — sich keiner lange sicher fühlen gegen die
Anfeindungen der zurückgedrängten anderen monarchischen Par-
teien und die aller Republikaner. Einmal zur Macht gelangt,
würde aber jeder Prätendent, ehe er die Karten unter den
Tisch würfe, lieber versuchen, der inneren Gährung durch eine
Diversion nach außen Luft zu schaffen, und mit uns Händel
anfangen. Eine ultramontane Regierung — möge sie heißen,
wie sie wolle — wäre an sich gar nicht im Stande, einen Krieg
mit uns nicht zu führen, sobald die Jesuiten es für zweck-
dienlich hielten, daß er geführt werde. Auf die Wünsche und
Dispositionen einer solchen Regierung käme es nicht an, denn
sie müßte eben den von Rom kommenden Weisungen gehorchen;
unter einem clerikalen Regime ist die französische Armee nichts
anderes, als „Soldaten des Papstes“, die auf seinen Befehl
marschiren werden, wohin die Jesuiten sie dirigiren wollen.
Aehnliches haben wir im Sommer 1870 schon einmal er-
lebt. Das Eintreten einer solchen Möglichkeit zu verhüten liegt
aber in den Zielen der Politik meines Vaters — soweit wir
das können, ohne uns in innere französische Angelegenheiten
zu mischen. Er glaubt, daß sich dieses Ziel erreichen läßt, und
gehört keineswegs zu denen, welche bei uns sagen „ein Krieg mit
Frankreich muß in den nächsten Jahren doch geführt werden,
also ist es besser, ihn so bald als möglich zu führen, so lange
Frankreich noch schwach ist, und wir es sicher wieder schlagen“.
Es ist dies das Raisonnement einer gewissen — so zu sagen —
Militärpartei, welche wohl Gehör, aber keine Macht hat.