Umschlag der Stimmung in Petersburg. Dresdner Conferenzen. 87
mich verletzenden Theilnahme für die Zukunft des befreundeten
Preußens durchsetzt. Sie machte mir den Eindruck, daß man
Oestreich für den stärkern und zuverlässigern Theil und Ruß-
land selbst für stark genug hielt, um die Entscheidung zwischen
beiden in die Hand zu nehmen.
3.
Mit den Mitteln und Gewohnheiten des auswärtigen
Dienstes noch nicht so vertraut wie später, war ich doch als
Laie nicht zweifelhaft, daß der Krieg, wenn er für uns über-
haupt geboten oder annehmbar erschien, auch nach Olmütz in
den Dresdner Verhandlungen 0 jederzeit gefunden und durch
Abbruch derselben herbeigeführt werden konnte. Stockhausen
hatte mir gelegentlich sechs Wochen als die Frist bezeichnet,
deren er bedürfte, um fechten zu können, und es wäre nach
meiner Ansicht nicht schwer gewesen, das Doppelte derselben
durch geschickte Leitung der Verhandlungen in Dresden zu ge-
winnen, wenn bei uns die momentane Unsfertigkeit der mili-
tärischen Rüstungen der einzige Grund gewesen wäre, uns eine
kriegerische Lösung zu versagen. Wenn die Dresdner Ver-
handlungen nicht dazu benutzt worden sind, im preußischen
Sinne entweder ein höheres Resultat oder einen berechtigt
erscheinenden Anlaß zum Kriege zu gewinnen, so ist mir nie-
mals klar geworden, ob die auffällige Beschränkung unfrer
Ziele in Dresden von dem Könige oder von Herrn von Man-
teuffel, dem neuen auswärtigen Minister ), ausgegangen ist. Ich
habe damals nur den Eindruck gehabt, daß letztrer nach seinem
Vorleben als Landrath, Regirungs-Präsident und Director im
Ministerium des Innern sich in der Sicherheit seines Auf-
tretens durch die renommirenden vornehmen Verkehrsformen
des Fürsten Schwarzenberg genirt fühlte. Schon die häusliche
1) 23. Dezember 1850 bis 15. Mai 1851.
:) Otto v. Manteuffel, seit 8. November 1848 Minister des Innern,
übernahm Nov. 1850 nach dem Rücktritt des Ministers v. Radowitz provi-