Katholische Sympathien der Prinzessin Augusta. 143
stab-Landes und seiner Geistlichkeit als ihrer Fürsorge beson-
ders zugewiesen anzusehn und zu vertreten. Das moderne
confessionelle Selbstgefühl auf dem Grunde geschichtlicher Tradi-
tion, das in dem Prinzen die protestantische Sympathie nicht
selten mit Schärfe hervortreten ließ, war seiner Gemalin fremd.
Welchen Erfolg ihr Bemühn um Popularität im Rheinlande
gehabt hatte, zeigte sich u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-
Volmerstein mir am 9. October 1863 schrieb, wohlgesinnte Leute
am Rhein riethen, der König möge nicht zum Dombaufest
kommen, sondern lieber J. Mgcjestät schicken, „die mit Enthu-
siasmus würde empfangen werden“. Ein Beispiel der wirk-
samen Energie, mit der sie die Wünsche der Geistlichkeit vertrat,
lieferte die Modification, zu welcher der Bau der sogenannten
Metzer Eisenbahn genöthigt wurde, weil die Geistlichkeit sich
eines katholischen Kirchhofs, der berührt werden sollte, ange-
nommen hatte und darin von der Kaiserin so erfolgreich unter-
stützt wurde, daß die Richtung geändert und schwierige Bauten
ad hoc hergestellt wurden.
Unter dem 27. October 1877 schrieb mir der Staatssekretär
von Bülow, die Kaiserin habe von dem Minister Falk eine
Reiseunterstützung für einen ultramontanen Maler verlangen
lassen, der nicht nur selbst nicht darum bitten wolle, sondern
mit Gemälden zur Verherrlichung von Marpingen ½ beschäftigt
sei. Unter dem 25. Januar 1878 berichtete er mir: „Vor seiner
Abreise (nach Italien) hat der Kronprinz eine sehr heftige
Scene mit der Kaiserin gehabt, welche verlangte, daß er, der
künftige Herrscher über acht Millionen Katholiken, den alten
ehrwürdigen Papst besuchen solle. Als der Kronprinz nach
der Rückkehr sich beim Kaiser meldete, war auch die Kaiserin
(aus ihren Zimmern) hinuntergekommen. Als das Gespräch
1) Dorf im Regirungsbezirk Trier, Kreis St. Wendel, bekannt durch
die angeblichen Wunbererscheinungen, die Marpinger Kinder Anfang
Juli 1876 im Härtelwald gehabt haben wollten.