Wie der König über Minister dachte. Bildung der Ersten Kammer. 159
Staat hat seinen eigenen Entwicklungsgang. Friedrich Wil-
helm I. war weder katholisch noch demokratisch, und doch absolut.
Aber dergleichen Dinge machen großen Eindruck auf S. M.
Das constitutionelle System, welches die Majoritäten-Herrschaft
proclamirt, halte ich für nichts weniger als protestantisch.“
Am folgenden Tage, 21. April, schrieb mir der König:
„Charlottenburg, 21. April 1852.
Ich erinnere Sie daran, theuerster Bismarck, daß ich auf
Sie und Ihre Hülfe zähle bey der nahen Verhandlung
in IIr Kammer über die Gestaltung der Ersten. Ich thue dies
um so mehr, als ich leider aus allersicherster Quelle Kenntniß
von den schmutzigen Untriguen habe, die in bewußtem (5) oder
unbewußtem (2) Verein reudiger Schafe aus der Rechten und
stänkriger Böcke aus der Linken angestellt werden, um meine
Absichten zu zerstöhren. Es ist dies ein trauriger Anblick unter
allen Verhältnissen, einer zum Haar Ausraufen“ aber auf dem
Felde der theuer angeschafften Lügen Maschine des französischen
Constituzionalismus. Gott bessr’ es! Amen.
Friedrich Wilhelm.“
Ich schrieb dem General Gerlach y), ich sei eins der jüngsten
Mitglieder unter diesen Leuten. Wenn ich die Wünsche Sr.
Mojestät früher gekannt hätte, hätte ich vielleicht einen Einfluß
gewinnen können; aber der Befehl des Königs, von mir in
Berlin ausgeführt und in der conservativen Partei beider
Häuser vertreten, würde meine parlamentarische Stellung, die
für den König und seine Regirung in andern Fragen von
Nutzen sein könnte, zerstören, wenn ich rein als königlicher
Beauftragter, ohne eigne Gedanken zu vertreten, meinen Ein-
1) Am 23. April 1852; der Brief ist bisher im Wortlaut nicht ver-
öffentlicht; doch vgl. die Aeußerung in dem Briefe vom 23. April an
Manteuffel (Preußen im Bundestage IV 72).