Der Regent erklärt sich für die von Schleinitz vertretene Politik. 273
die im Gemüth des Regenten ihren Anklang nie versagte, unter
Schilderung der Bedenken und Gefahren, die von Westen (Paris)
und im Innern drohten, wenn die Beziehungen zu Oestreich
trotz aller berechtigten Gründe zur Empfindlichkeit nicht erhalten
würden. Die Gefahren russisch-französischer Verbindungen, die
schon damals in der Oeffentlichkeit eine Rolle spielten, wurden
entwickelt, die Möglichkeit preußisch--russischer Verbindungen als
von der öffentlichen Meinung verurtheilt dargestellt. Charakte-
ristisch war, daß, sobald Schleinitz sein letztes Wort eines ge-
läufigen und offenbar vorbereiteten Vortrages gesprochen hatte,
der Regent wiederum das Wort nahm und in klarer Entwick-
lung erklärte, daß er sich in Erinnrung an die väterlichen Tra-
ditionen für die Darstellung des Ministers von Schleinitz ent-
scheide, und damit war die Erörterung kurzer Hand geschlossen.
Die Schnelligkeit, mit welcher er sich entschied, nachdem das
letzte Wort des Ministers gefallen war, ließ mich annehmen,
daß die ganze mise en scene 1) vorher verabredet war und nach
dem Willen der Prinzessin sich entwickelt hatte, um den An-
sichten des Fürsten von Hohenzollern und Auerswald's eine
äußerliche Berücksichtigung zu gewähren, während sie schon da-
mals sich mit diesen Beiden und deren Neigung, das Cabinet
durch meine Zuziehung zu stärken, nicht im Einklang befand.
In der Politik der Prinzessin, welche für ihren Gemal und
für den Minister von erheblichem Gewicht war, gaben, wie ich
annahm, eher gewisse Abneigungen den Ausschlag als positive
Ziele. Die Abneigungen richteten sich gegen Rußland, gegen
Louis Napoleon, mit dem Beziehungen zu unterhalten ich im
Verdacht stand, gegen mich, wegen Neigung zu unabhängiger
Meinung und wegen wiederholter Weigerung, Ansichten der
hohen Frau bei ihrem Gemal als meine eignen zu vertreten.
Ihre Geneigtheiten wirkten in demselben Sinne. Herr von
1) Inscenirung.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 18