280 Elftes Kapitel: Zwischenzustand.
lich also Näheres. Bitte mich der Frau Gemalin herzlich zu
empfehlen. In treuer Freundschaft der Ihrige
v. Bismarck.“)
Ich hatte fünf Tage lang keine Zeitungen gesehn, als ich
am 9. Juli in Lübeck um fünf Uhr Morgens eintraf und aus
der im Bahnhofe allein vorhandnen schwedischen Ostader Zeitung
ersah, daß der König und die Minister Berlin verlassen hatten,
die Krisis also beigelegt sein mußte. Am 3. Juli hatte der
König das Manifest erlassen, daß er das Herkommen der Erb-
huldigung festhalte, aber in Betracht der Veränderungen, welche
in der Verfassung der Monarchie unter der Regirung seines
Bruders eingetreten, beschlossen habe, anstatt der Erbhuldigung
die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche die erbliche
Königswürde begründet sei. Ueber den Verlauf der Krisis
schrieb mir Roon am 24. Juli von Brunnen (Kanton Schwyz)y#:
„Ich habe gelobt, Ihnen am ersten Regentage zu antworten,
und muß es daher leider schon heute thun und zwar aus einem
versiegenden Dintenfaß, welches ich, falls nicht andre Hülfe kommt,
auf einige Minuten zum Fenster hinaushalten werde, um seiner
Armuth aufzuhelfen. — Daß wir uns immer wieder verfehlten),
halte ich kaum für providentiell, lieber für sehr fatal. Die
Depesche aus Frankfurt kam, Dank der Dummheit des Dienst-
personals, erst am 17. nach acht Uhr früh in meine Hände und
meine sofortige Antwort darauf nach einigen Stunden als un-
bestellbar zurück. Um so bedenklicher wurde ich wegen meiner
Abreise. Aber ich konnte sie nicht verschieben. Schleinitz im
Dienste der Königin Augusta hat uns vor der Hand sehr ge-
1) Vollständig in den Bismarckbriefen (8. Aufl.) S. 304 ff., desgl. in
den Denkwürdigkeiten a. d. Leben des General-Feldmarschalls Kriegs-
ministers Grafen von Roon. (Breslau 1897.) II/ 28 ff.
?) Bismarck-Jahrbuch VI 196 ff.
„:) Vgl. die beiden Briese Bismarck's an Roon vom 17. Juli 18601,
Bismarckbriefe, 8. Aufl., S. 307 f., Roon, Denkwürdigkeiten II4 32 f.