Briefwechsel mit Roon über Bismarck's Eintritt ins Ministerium. 289
Amt bleiben, so schwierig es auch sein mag. Und eben deshalb
muß sie sich mit Nothwendigkeit verstärken und zwar je eher
je lieber. — — Daß Graf Bernstorff immer zwei große Posten
in Beschlag habe, scheint mir nun nicht eben durch Preußens
Interesse geboten zu sein. Ich werde mich daher sehr freuen,
wenn Sie nächstens zum Ministerpräsidenten ernannt werden,
obgleich ich überzeugt bin, daß Blernstorff) dann binnen Kurzem
aus seiner Doppelstellung treten und nicht länger den Koloß,
1 Fuß in Berlin, 1 in London, spielen wird. Ich schiebe es
Ihnen in's Gewissen, keinen Gegenzug zu thun, da er schließlich
dahin führen könnte und würde, den König in die offenen Arme
der Demokraten zu treiben. — — Zum 11. ds. M. ist Hohen-
lohe's Urlaub um. Er wird nicht wiederkommen, sondern nur
ein Entlassungsgesuch. Und dann, ja dann hoffe ich, wird der
Telegraph Sie herrufen. Alle Patrioten ersehnen dies. Wie
könnten Sie da zaudern und manöoriren?
Meine Antwort lautet:
„Paris, Pfingsten ½ 62.
Lieber Roon
Ich habe Ihren Brief durch Stein (damals Militär-Bevoll-
mächtigter) richtig erhalten, offenbar unerbrochen, denn ich konnte
ihn ohne theilweise Zerstörung nicht öffnen. Sie können ver-
sichert sein, daß ich durchaus keine Gegenzüge und Manövers
mache; wenn ich nicht aus allen Anzeichen ersähe, daß Bern-
storff garnicht daran denkt auszuscheiden, so würde ich mit Ge-
wißheit erwarten, daß ich in wenig Tagen Paris verließe, um
über London nach Berlin zu gehn, und ich würde keinen Finger
rühren, um dem entgegenzuarbeiten. Ich rühre auch so keinen;
aber ich kann doch auch nicht den König mahnen, mir Bernstorff's
Stelle zu geben, und wenn ich ohne Portefeuille einträte, so
1) 8. bez. 9. Juni, Bismarckbriefe (8. Aufl.) 339 f., Roon's Denk-
würdigkeiten II/ 95 ff.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 19