Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

334 Dreizehntes Kapitel: Dynastien und Stämme. 
  
das Hofleben der letzten Fürsten der alten Linie, die eheliche 
Verbindung mit dem Hause Beauharnais, die Caspar Hauser- 
Geschichte ), die revolutionären Vorgänge von 1832, die Ver- 
treibung des bürgerfreundlichen Großherzogs Leopold ), die 
Vertreibung des regirenden Hauses 1849 haben den Zwang 
der dynastischen Fügsamkeit im Lande nicht brechen können, und 
Baden hat 1866 seinen Krieg gegen Preußen und die deutsche 
Idee geführt, weil die dynastischen Interessen des regirenden 
Hauses es unabweislich machten. 
Die andern europäischen Völker bedürfen einer solchen Ver- 
mittlung für ihren Patriotismus und ihr Nationalgefühl nicht. 
Polen, Ungarn, Italiener, Spanier, Franzosen würden unter 
einer jeden Dynastie oder ganz ohne eine solche ihren einheit- 
lichen Zusammenhang als Nation bewahren. Die germanischen 
Stämme des Nordens, die Schweden und Dänen, haben sich 
von dynastischer Sentimentalität ziemlich frei erwiesen, und in 
England gehört zwar der äußerliche Respect vor der Krone zu 
den Erfordernissen der guten Gesellschaft und wird die fsormale 
1) Prinz Karl von Baden, Enkel des Großherzogs Karl Friedrich, 
dem er 1811 in der Regirung nachfolgte, nahm auf Wunsch Napoleon's 
dessen Adoptivtochter Stephanie Beauharnais (Tochter des Generals 
Claude de Beauharnais) 1806 zur Frau; nach dem Sturze Napoleon's 
vielfach angefeindet, wurde die Großherzogin von ihrem Gatten, der sich 
nur ungern von Napoleon getrennt hatte, geschützt. Zwei Söhne des 
großherzoglichen Paares starben im zarten Kindesalter, während die 
Töchter am Leben blieben. Da über das Erbfolgerecht des einer nicht 
voll ebenbürtigen Seitenlinie angehörenden Grafen Hochberg bis zum 
4. October 1817 im großherzoglichen Hause Zwiespalt bestand, so kam 
später der Verdacht auf, daß die Söhne der Großherzogin Stephanie 
gewaltsam beseitigt worden seien. Man hielt den am 26. Mai 1828 zu 
Nürnberg plötzlich auftauchenden Findling Caspar Hauser für den am 
29. September 1812 geborenen Sohn der Großherzogin Stephanie. An 
die „Caspar Hauser-Geschichte“ wurde auch in hohen Kreisen theilweise 
ernsthaft geglaubt. Aus dem badischen Hausarchive veröffentlichte man 
im Jahre 1875 die Urkunden über Geburt, Nothtaufe, Section, Beerdi- 
gung des am 16. October 1812 gestorbenen Erbprinzen. 
:) Mai 184)0.
	        
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