Bürokratie und Selbstverwaltung. Der Landrath sonst und jetzt. 13
oder später der wunde Punkt eintreten, wo wir von der Last
der Schreiberei und besonders der subalternen Bürokratie er-
drückt werden. Daneben ist der bürokratische Druck auf das
Privatleben durch die Art der Ausführung der „Selbstverwal-
tung“ verstärkt worden und greift in die ländlichen Gemeinden
schärfer als früher ein. Vorher bildete der der Bevölkerung
ebenso nahe als dem Staate stehende Landrath den Abschluß
der staatlichen Bürokratie nach unten; unter ihm standen locale
Verwaltungen, die wohl der Controlle, aber nicht in gleichem
Maße wie heut der Disciplinargewalt der Bezirks= oder Mini-
sterial-Bürokratie unterlagen. Die ländliche Bevölkerung er-
freut sich heut vermöge der ihr gewährten Selbstregirung nicht
etwa einer ähnlichen Autonomie wie seit lange die der Städte,
sondern sie hat in Gestalt des Amtsvorstehers einen Vorstand
erhalten, der durch Befehle von oben, vom Landrathe, unter
Androhung von Ordnungsstrafen disciplinarisch angehalten
wird, im Sinne der staatlichen Hierarchie seine Mitbürger in
seinem Bezirke mit Listen, Meldungen und Zumuthungen zu
belästigen. Die regirte contribuens plebs hat in der landräth-
lichen Instanz ungeschickten Eingriffen gegenüber nicht mehr die
Garantie, welche früher in dem Verhältniß lag, daß die Kreis-
eingesessenen, die Landräthe wurden, dies in ihrem Kreise
lebenslänglich zu bleiben in der Regel entschlossen waren und
die Leiden und Freuden des Kreises mitfühlten. Heut ist der
Landrathsposten die unterste Stufe der höhern Verwaltungs-
laufbahn, gesucht von jungen Assessoren, die den berechtigten
Ehrgeiz haben, Carrière zu machen; dazu bedürfen sie der
ministeriellen Gunst mehr als des Wohlwollens der Kreis-
bevölkerung und suchen erstre durch hervorragenden Eifer und
Anspannung der Amtsvorsteher der angeblichen Selbstverwal-
tung bei Durchführung auch minderwerthiger bürokratischer
Versuche zu gewinnen. Darin liegt zum großen Theil der
Anlaß zur Ueberlastung ihrer Untergebenen in der localen