Napoleon III. und die Polen. Schreiben des Grafen Goltz. 357
um, Dank zugleich der Abwesenheit Metternichs und der heute
erfolgten Abreise seiner hohen Freundin ½), in eine politische
Lage zurückzugelangen, in welcher wir den kommenden Ereig-
nissen mit Zuversicht entgegensehen können.
Ich habe auf die Andeutungen des Kaisers hinsichtlich der
polnischen Angelegenheit nicht so weit eingehen können, als ich
es gewünscht hätte. Er schien mir ein Mediationsanerbieten
zu erwarten; aber die Aeußerungen des Königs hielten mich
zurück. Jedenfalls scheint es mir rathsam, das Eisen zu schmie-
den, so lange es warm ist; der Koeiser hat jetzt bescheidenere
Ansprüche als je, und es ist zu besorgen, daß er wieder zu
stärkeren Anforderungen zurückkehrt, wenn etwa Oesterreich
das Frankfurter Ungeschick durch eine erhöhte Bereitwilligkeit
in der polnischen Frage wieder gut zu machen bemüht sein
sollte. Er will jetzt nur aus der Sache mit Ehren heraus-
kommen, erkennt die sechs Punkte selbst als schlecht an und
wird daher bei ihrer praktischen Durchführung gern ein Auge
zudrücken, weshalb es ihm vielleicht sogar ganz recht ist, wenn
er nicht vermöge einer allzu bindenden Form gezwungen wird,
ihre strenge Ausführung zu überwachen. Ich fürchte nur bei
der bisherigen Behandlung der Sache, daß uns die Russen
das Verdienst der Beilegung nehmen, indem sie ohne uns das
thun, wozu wir (5 ihnen zureden wollten (2)2). Die Reise des
Großfürsten, der offenbar nicht abberufen ist, ist mir in dieser
Beziehung verdächtig. Wie, wenn der Kaiser Alexander jetzt
eine Constitution verkündigte und dem Kaiser Napoleon davon
mittelst autographen verbindlichen Schreibens Anzeige machte?
Es wäre dies immer noch besser als die Fortdauer der Dif-
ferenz, aber ungünstiger für uns, als wenn wir vorher dem
Kaiser Napoleon gesagt hätten: „Wir sind bereit dazu zu rathen;
würdest Du damit zufrieden sein?“
1) Der Kaiserin Eugenie.
?) Die Fragezeichen sind dem Original von Bismarck's Hand beigefügt.