366 Sechzehntes Kapitel: Danziger Episode.
Nachdem die Sache durch den oben erwähnten Briefwechsel
zwischen Vater und Sohn wenigstens äußerlich beigelegt war,
erhielt ich ein aus Stettin vom 30. Juni datirtes Schreiben
des Kronprinzen, das meine ganze Politik in starken Ausdrücken
verurtheilte ). Sie sei ohne Wohlwollen und Achtung für das
Volk, stütze sich auf sehr zweifelhafte Auslegungen der Ver-
fassung, werde sie dem Volke werthlos erscheinen lassen und
dieses in Richtungen treiben, die außerhalb der Verfassung lägen.
Auf der andern Seite werde das Ministerium von gewagten
Deutungen zu gewagteren fortschreiten, endlich dem Könige
Bruch mit derselben anrathen. Er werde den König bitten,
sich, so lange dieses Ministerium im Amte sei, der Theilnahme
an den Sitzungen desselben enthalten zu dürfen.
Die Thatsache, daß ich, nachdem ich diese Aeußerung des
Thronfolgers erhalten hatte, aus dem eingeschlagnen Wege be-
harrte, war ein sprechender Beweis dafür, daß mir nichts daran
lag, nach dem Thronwechsel, der ja sehr bald eintreten konnte,
Minister zu bleiben. Gleichwohl nöthigte der Kronprinz mich
in einem später zu erwähnenden Gespräche ?), ihm das mit aus-
drücklichen Worten zu sagen.
Zur Ueberraschung des Königs war am 16. oder 17. Juni
in der „Times“ zu lesen: „Der Prinz erlaubte sich bei Gelegen-
heit einer militärischen Dienstreise mit der Politik des Sou-
verains in Widerspruch zu treten und seine Maßregeln in Frage
zu stellen. Das Mindeste, was er thun konnte, um diese schwere
Beleidigung wieder gut zu machen, war die Zurücknahme seiner
Aeußerungen. Dies forderte der König von ihm in einem Briefe,
hinzufügend, daß er seiner Würden und Anstellungen beraubt
werden würde, wenn er sich weigerte. Der Prinz, in Ueber-
1) Nach dem Original mitgetheilt im Anhang zu den Gedanken und
Erinnerungen II 349 ff., ebd. S. 354 der Entwurf der Antwort Bis-
marck's vom 10. Juli, S. 355 die Antwort des Kronprinzen vom 14. Juli,
S. 355 f. die Erwiderung Bismarck's vom 16. Juli 1863.
2) S. u. S. 369 f.