Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

16 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage. 
  
2. 
Die in meiner Kindheit empfangnen Eindrücke waren wenig 
dazu angethan, mich zu verjunkern. In der nach Pestalozzi- 
schen und Jahn'schen Grundsätzen eingerichteten Plamann'schen 
Erziehungsanstalt war das „von“ vor meinem Namen ein 
Nachtheil für mein kindliches Behagen im Verkehre mit Mit- 
schülern und Lehrern. Auch auf dem Gymnasium zum Grauen 
Kloster habe ich einzelnen Lehrern gegenüber unter dem Adels- 
hasse zu leiden gehabt, der sich in einem großen Theile des 
gebildeten Bürgerthums als Reminiscenz aus den Zeiten vor 
1806 erhalten hatte. Aber selbst die aggressive Tendenz, die 
in bürgerlichen Kreisen unter Umständen zum Vorschein kam, 
hat mich niemals zu einem Vorstoße in entgegengesetzter Rich- 
tung veranlaßt ). Mein Vater war vom aristokratischen Vor- 
urtheile frei, und sein innres Gleichheitsgefühl war, wenn 
überhaupt, nur durch die Offizierseindrücke seiner Jugend, 
keineswegs aber durch Ueberschätzung des Geburtsstandes modi- 
ficiert. Meine Mutter war die Tochter des in den damaligen 
Hofkreisen für liberal geltenden Cabinetsraths Friedrich's des 
Großen, Friedrich Wilhelm's II. und III. aus der Leipziger 
Professorenfamilie Mencken 2), welche in ihren letzten, mir vor- 
1) Vgl. Rede vom 24. Oktober 1849, Politische Reden des Fürsten 
O. v. Bismarck, herausgeg. von Horst Kohl (J. G. Cotta'sche Buchh. 
Nachf.) Bd. I, 153: „Ich habe die hohe Versammlung um Entschuldigung 
zu bitten, daß ich im Ganzen mehr pro dowo als de republica gesprochen 
habe, indem ich mich bemüht habe, einen Stand, dem ich die Ehre habe 
anzugehören, gegen die ungerechtfertigten Angriffe zu vertheidigen, deren 
Ziel er in den letzten Tagen von dieser Tribüne aus gewesen ist. Ich 
habe mich zu dieser Vertheidigung in dem Grade für be- 
rechtigt gehalten, als ich mir bewußt bin, daß ich diesen 
Stand nie durch Anmaßung oder Geringschätzung anderer 
entehrt habe." 
2) Anastasius Ludwig Menckeln), geb. 2. Aug. 1752, gest. 5. Aug. 1801, 
war Cabinetssecretär unter Friedrich d. Gr., Cabinetsrath unter den 
beiden folgenden Königen.
	        
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