Wirkungen d. Einvernehmens mit Oestreich. Unterredung mit Karolyi. 383
Wien, bald in Berlin gesucht, ohne, bei plötzlichem Uebergang
von einer Anlehnung an die andre, wie im siebenjährigen Kriege,
scrupulöse Bedenken gegen den Vorwurf des Imstichlassens alter
Freunde zu hegen. Wenn aber die beiden Höfe einig und ver-
bündet waren, so fand die englische Politik nicht ihres Dienstes,
ihnen etwa im Bunde mit einer von den ihr gefährlichen Mächten,
Frankreich und Rußland, feindlich gegenüberzutreten. Sobald
aber die preußisch-östreichische Freundschaft gesprengt worden
wäre, würde auch damals das Eingreifen des europälschen
Seniorenconvents in der dänischen Frage unter englischer
Führung erfolgt sein. Es war deshalb, wenn unfre Politik
nicht wiederum entgleisen sollte, von höchster Wichtigkeit, das
Einverständniß mit Wien festzuhalten; in ihm lag unfre Deckung
gegen englisch-europäisches Eingreifen. .
Ich hatte am 4. December 1862 gegenüber dem Grafen
Karolyi, mit dem ich auf vertrautem Fuß stand, mit offnen
Karten gespielt. Ich sagte ihm:
„Unfre Beziehungen müssen entweder besser oder schlechter
werden, als sie sind. Ich bin bereit zu einem gemeinschaft-
lichen Versuche, sie besser zu machen. Mißlingt derselbe durch
Ihre Weigerung, so rechnen Sie nicht darauf, daß wir uns
durch bundesfreundliche Redensarten werden fesseln lassen. Sie
werden mit uns als europäische Großmacht zu thun bekommen;
die Paragraphen der Wiener Schlußacte haben nicht die Kraft,
die Entwicklung der deutschen Geschichte zu hemmen“ ,.
Graf Karolyi, ein ehrlicher und unabhängiger Charakter,
hat ohne Zweifel genau berichtet, was wir unter vier Augen
vertraulich besprochen haben. In Wien aber hatte man seit
der Olmützer und Dresdner Zeit und der Präpotenz Schwarzen=
9 9. Juni 1815.
:) Vgl. die Depesche vom 24. Januar 1863, in der Bismarck über
den Inhalt seiner Unterredungen mit Karolyi vom 4. und 13. Dec. 1862
Rechenschaft giebt, Staatsarchio VIII S. 55 ff. Nr. 1751.