20 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
machte in seiner Eigenschaft ad 1 sich die vorgeschriebene Vor-
haltung; entwickelte dagegen in der ad 2 die Gründe, aus
denen er die Zumuthung ablehnen müsse; worauf das Protokoll
von ihm doppelt genehmigt und unterschrieben wurde. Die
Regirung verstand Scherz und ließ mir die Ordnungsstrafe
zurückzahlen. In andern Fällen kam es zu unangenehmern
Schraubereien. Ich wurde zur Kritik geneigt, also „liberal“
in dem Sinne, in welchem man das Wort damals in Kreisen
von Gutsbesitzern anwandte zur Bezeichnung der Unzufrieden-
heit mit der Bürokratie, die ihrerseits in der Mehrzahl ihrer
Glieder liberaler als ich war, aber in andrem Sinne.
Aus meiner ständisch-liberalen Stimmung, für die ich in
Pommern kaum Verständniß und Theilnahme, in Schönhausen
aber die Zustimmung von Kreisgenossen wie Graf Wartens-
leben-Carow, Schierstädt-Dahlen und Andern fand, denselben
Elementen, die zum Theil zu den später unter der neuen Aera
gerichtlich verurtheilten Kirchen-Patronen gehörten, aus dieser
Stimmung wurde ich wieder entgleist durch die mir unsym-
pathische Art der Opposition des Ersten Vereinigten Landtags,
zu dem ich erst für die letzten sechs Wochen der Session wegen
Erkrankung des Abgeordneten von Brauchitsch als dessen Stell-
vertreter einberufen wurde ). Die Reden der Ostpreußen
Saucken-Tarputschen, Alfred Auerswald, die Sentimentalität
von Beckerath, der rheinisch-französische Liberalismus von Heydt
und Mevissen und die polternde Heftigkeit der Vincke'schen
Reden waren mir widerlich, und auch wenn ich die Verhand-
lungen heut lese, so machen sie mir den Eindruck von impor-
tirter Phrasen-Schablone. Ich hatte das Gefühl, daß der König
auf dem richtigen Wege sei und den Anspruch darauf habe, daß
man ihm Zeit lasse und ihn in seiner eignen Entwicklung schone.
1) Vgl. Fürst Bismarck's Briefe an seine Braut und Gattin. Heraus-
gegeben vom Fürsten Herbert Bismarck (Stuttgart, J. G. Cotta'sche
Buchhandlung Nachfolger, 1000) S. 84 f.