422 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
des deutschen Marktes geboten hat. Die gehoffte heilsame Wir-
kung auf die Hebung unfrer materiellen Wohlfahrt wird sich
erst nach Ablauf des nächsten Jahres fühlbar machen können.
Auf finanziellem Gebiet glaube ich aber wird schon in
einer der nächsten Reichstagssitzungen der Versuch zur Er-
öffnung weitrer Einnahmequellen für die verbündeten Re-
girungen zu erneuern sein, da die bisherigen vielleicht die
Lücken unfres Etats decken, aber nicht ausreichend sein werden,
um Reformen der directen Steuern und Unterstützungen der
nothleidenden Gemeindeverwaltungen zu ermöglichen.
In politischer Beziehung hat das Ergebniß des Vorgehns
der verbündeten Regirungen meinen Erwartungen insofern ent-
sprochen, als die fehlerhafte Gruppirung und Zusammensetzung
unsrer politischen Parteien und Fractionen durch die betreffen-
den Verhandlungen einen nachhaltigen Stoß erlitten zu haben
scheint. Das Centrum hat zum ersten Male begonnen, sich in
positivem Sinne an der Gesetzgebung des Reiches zu betheiligen.
Ob dieser Gewinn ein dauernder sein wird, kann nur die Er-
fahrung lehren. Die Möglichkeit bleibt nicht ausgeschlossen,
daß diese Partei, wenn eine Verständigung mit dem römischen
Stuhle nicht gelingt, zu ihrer frühern, rein negativen und
oppositionellen Haltung zurückkehrt. Die Aussichten auf eine
Verständigung mit Rom sind dem äußern Anschein nach seit
dem vorigen Jahre nicht wesentlich gebessert. Vielleicht darf
ich aber Hoffnungen an die Thatsache knüpfen, daß der päpst-
liche Nuntius Jacobini dem Botschafter Prinzen Reuß amtlich
den Wunsch ausgesprochen hat, in Verhandlungen einzutreten,
zu welchen er von Rom Vollmacht habe. Die Tragweite der
letztern kenne ich noch nicht, habe mich aber auf den Wunsch
des Nuntius bereit erklärt, mich im Laufe dieses Monats in
Gastein mit ihm zu begegnen und zu besprechen.
Die nationalliberale Partei wird, wie ich hoffe, durch die
letzte Reichstagssession ihrer Scheidung in eine monarchische