22 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
schwenkte: so glaubte ich annehmen zu müssen, daß meine Hal-
tung als royalistischer Heißsporn die Grenzen überschritt, die
er sich gesteckt hatte. Daß diese Auslegung unrichtig, erkannte
ich erst einige Monate später, als ich auf meiner Hochzeitsreise
Venedig berührte ). Der König, der mich im Theater erkannt
hatte:), befahl mich folgenden Tagss) zur Audienz und zur Tafel,
mir so unerwartet, daß mein leichtes Reisegepäck und die Un-
fähigkeit der Schneider des Ortes mir nicht die Möglichkeit
gewährten, in correctem Anzuge zu erscheinen. Mein Empfang
war ein so wohlwollender"!) und die Unterhaltung auch auf
politischem Gebiete derart, daß ich eine aufmunternde Billigung
meiner Haltung im Landtage daraus entnehmen konnte. Der
König befahl mir, mich im Laufe des Winters bei ihm zu
melden, was geschah. Bei dieser Gelegenheit und bei kleinern
Diners im Schlosse überzeugte ich mich, daß ich bei beiden
allerhöchsten Herrschaften in voller Gnade stand und daß der
König, wenn er zur Zeit der Landtagssitzungen vermieden
hatte, öffentlich mit mir zu reden, damit nicht eine Kritik meines
politischen Verhaltens geben, sondern nur seine Billigung den
Andern zur Zeit nicht zeigen wollte.
1) Die Vermählung Bismarcks mit Frl. Johanna v. Puttkamer er-
folgte am 28. Juli 1847; seit dem 6. September 1847 weilten die Neu-
vermählten in Venedig, das sie am 9. September verließen.
2) 6. September 1847.
2) 7. September 1847.
1) Vgl. Brief Bismarcks an seinen Bruder Bernhard vom 10. Sep-
tember 1847, Bismarckbriefe, herausg. von Horst Kohl (8. Aufl.) S. ö1.