28 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
Berlin verlasse. Der König antwortete nicht, hat mir aber
später gesagt, er habe den auf schlechtem Papier schlecht ge-
schriebenen Brief als das erste Zeichen von Sympathie, das
er damals erhalten, sorgfältig aufbewahrt.
Auf meinen Gängen durch die Straßen, um die Spuren
des Kampfes anzusehn, raunte ein Unbekannter mir zu: „Wissen
Sie, daß Sie verfolgt werden?" Ein andrer Unbekannter
flüsterte mir unter den Linden zu: „Kommen Sie mit“; ich
folgte ihm in die Kleine Mauerstraße, wo er sagte: „Reisen
Sie ab, oder Sie werden verhaftet.“ „Kennen Sie mich?“
fragte ich. „Ja,“ antwortete er, „Sie sind Herr von Bismarck.“
Von welcher Seite mir die Gefahr drohn sollte, von welcher
die Warnung kam, habe ich nie erfahren. Der Unbekannte ver-
ließ mich schnell. Ein Straßenjunge rief mir nach: „Kiek, dat is
och en Franzos,“ eine Aeußerung, an die ich durch manche
spätre Ermittlung erinnert worden bin. Mein allein unrasirter
langer Kinnbart, der Schlapphut und Frack hatten dem Jungen
einen exotischen Eindruck gemacht. Die Straßen waren leer,
kein Wagen sichtbar; zu Fuß nur einige Trupps in Blusen und
mit Fahnen, deren einer in der Friedrichstraße einen lorbeerbe-
kränzten Barrikadenhelden zu irgend welcher Ovation geleitete.
Nicht wegen der Warnung, sondern weil ich in Berlin keinen
Boden für eine Thätigkeit fand, kehrte ich an demselben Tage
nach Potsdam zurück und besprach mit den beiden Generalen
Möllendorf und Prittwitz noch einmal die Möglichkeit eines
selbständigen Handelns. „Wie sollen wir das anfangen?“ sagte
Prittwitz. Ich klimperte auf dem geöffneten Klavier, neben
dem ich saß, den Infanteriemarsch zum Angriff. Möllendorf
siel mir in Thränen und vor Wundschmerzen steif um den Hals
und rief: „Wenn Sie uns das besorgen könnten!“ „Kann ich
nicht,“ erwiderte ich; „aber wenn Sie es ohne Befehl thun,
was kann Ihnen denn geschehn? Das Land wird Ihnen
danken und der König schließlich auch.“ Prittwitz: „Können