Die Schönhauser Bauern in Potsdam. Schreiben an Prittwitz. 31
so liegt der Grund davon bei der dieselbe beherrschenden Partei
weniger in einer ihr seither gewordnen richtigen Erkenntniß
des Sachverhältnisses als darin, daß die schnelle Bewegung
der neuern Ereignisse den Eindruck der ältern in den Hinter-
grund drängt und man sich das Ansehn giebt, den Truppen
wegen ihrer neuesten Thaten 3#) die frühern verzeihn zu wollen.
Sogar bei dem Landvolk, welches die ersten Nachrichten von
den Berliner Ereignissen mit kaum zu zügelnder Erbitterung
aufnahm, fangen die Entstellungen an Consistenz zu gewinnen,
welche von allen Seiten und ohne irgend erheblichen Wider-
spruch, theils durch die Presse, theils durch die bei Gelegenheit
der Wahlen das Volk bearbeitenden Emissäre verbreitet worden
sind, so daß die wohlgesinnten Leute unter dem Landvolk be-
reits glauben, es könne doch nicht ohne allen Grund sein, daß
der Berliner Straßenkampf von den Truppen, mit oder ohne
Wissen und Willen des vielverleumdeten Thronerben, vorbe-
dachter Weise herbeigeführt sei, um dem Volke die Concessionen,
welche der König gemacht hatte, zu entreißen. An eine Vor-
bereitung auf der andern Seite, an eine systematische Bearbei-
tung des Volkes, will kaum einer mehr glauben. Wir fürchten,
daß diese Lüge, wenigstens im Bewußtsein der untern Volks-
schichten, auf lange Zeit hin zu Geschichte werde, wenn ihr
nicht durch ausführliche, mit Beweisen belegte Darstellungen
des wahren Hergangs der Sache entgegengetreten wird, und
zwar sobald als möglich, da bei dem außer aller Berechnung
liegenden Lauf der Zeit heut und morgen neue Ereignisse ein-
treten könnten, welche die Aufmerksamkeit des Publikums durch
ihre Wichtigkeit dergestalt in Anspruch nähmen, daß Erklärungen
über die Vergangenheit keinen Anklang mehr fänden.
Es würde unfrer Meinung nach von dem erheblichsten Ein-
fluß auf die politischen Ansichten der Bevölkerung sein, wenn
X) Am 23. April hatten sie Schleswig besetzt.