Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

54 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. 
  
müsse, um zu helfen, aber sitzen bleiben; ich würde der Einzige 
sein, der hinunter ginge oder Leute riefe, um zu helfen.“ So 
war der General der einflußreichste Politiker in der Camarilla 
Friedrich Wilhelm's IV., ein vornehmer und selbstloser Cha- 
rakter, ein treuer Diener des Königs, aber geistig vielleicht 
ebenso wie körperlich durch das Schwergewicht seiner Person 
an der prompten Ausführung seiner richtigen Gedanken be- 
hindert. An Tagen, wo der König ungerecht oder ungnädig 
für ihn gewesen war, wurde in der Abendandacht im Hause 
des Generals wohl das alte Kirchenlied gesungen: 
Verlasse Dich auf Fürsten nicht, 
Sie sind wie eine Wiege. 
Wer heute Hosianna spricht, 
Ruft morgen crucifige . 
Aber seine Hingebung für den König erlitt unter diesem 
christlichen Erguß seiner Verstimmung nicht die mindeste Ab- 
schwächung. Auch für den seiner Meinung nach irrenden König 
setzte er sich voll mit Leib und Leben ein, wie er schließlich 
seinen Tod dadurch fast eigenwillig herbeiführte, daß er hinter 
der Leiche seines Königs bei Wind und sehr hoher Kälte stun- 
denlang in bloßem Kopfe, den Helm in der Hand, folgte. 
Dieser letzten formalen Hingebung des alten Dieners für die 
Leiche seines Herrn unterlag seine schon länger angegriffne 
Gesundheit; er kam mit der Kopfrose nach Hause und starb 
nach wenigen Tagen ). Durch sein Ende erinnert er an das 
Gefolge eines altgermanischen Fürsten, das freiwillig mit ihm 
stirbt. 
Neben Gerlach und vielleicht in höherem Grade war Rauch 
seit 1848 von Einfluß auf den König. Sehr begabt, der fleisch- 
gewordne gesunde Menschenverstand, tapfer und ehrlich, ohne 
Schulbildung, mit den Tendenzen eines preußischen Generals 
1) Kreuzige! 
:) 10. Januar 1801.
	        
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