Ursachen der Mißerfolge Preußens nach 1848. 63
ursprüngliche Abneigung gegen constitutionelle Einrichtungen,
die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit eines größern Maßes
freier Bewegung der Königlichen Gewalt als das in der
preußischen Verfassung gegebene wieder im Vordergrunde. Der
Gedanke, die Verfassung durch einen „Königlichen Freibrief“
zu ersetzen, war in der letzten Krankheit noch lebendig.
Die Frankfurter Versammlung, in demselben doppelten
Irrthum befangen, behandelte die dynastischen Fragen als
überwundnen Standpunkt, und mit der theoretischen Energie,
welche dem Deutschen eigen ist, auch in Betreff Preußens und
Oestreichs. Diejenigen Abgeordneten, welche in Frankfurt über
die Stimmung der preußischen Provinzen und der deutsch-
östreichischen Länder kundige Auskunft geben konnten, waren
zum Theil interessirt bei der Verschweigung der Wahrheit; die
Versammlung täuschte sich, ehrlich oder unehrlich, über die
Thatsache, daß im Falle eines Widerspruchs zwischen einem
Frankfurter Reichstagsbeschluß und einem preußischen Königs-
befehl der erstere bei sieben Achtel der preußischen Bevölkerung
leichter oder garnicht in's Gewicht fiel. Wer damals in unsern
Ostprovinzen gelebt hat, wird heut noch die Erinnrung haben,
daß die Frankfurter Verhandlungen bei allen den Elementen,
in deren Hand die materielle Macht lag, bei allen denen, welche
in Conflictsfällen Waffen zu führen oder zu befehlen hatten,
nicht so ernsthaft aufgefaßt wurden, wie es nach der Würde
der wissenschaftlichen und parlamentarischen Größen, die dort
versammelt waren, hätte erwartet werden können. Und nicht
nur in Preußen, sondern auch in den großen Mittelstaaten
hätte damals ein monarchischer Befehl, der die Masse der Fäuste
dem Fürsten zu Hülfe aufrief, falls er erfolgte, eine ausreichende
Wirkung gehabt; nicht überall in dem Maße, wie es in Preußen
der Fall war, aber doch in einem Maße, welches überall dem
Bedürfniß materieller Polizeigewalt genügt haben würde, wenn
die Fürsten den Muth gehabt hätten, Minister anzustellen, die