122 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles.
über die Schädigung, welche Rußland auf dem Berliner Con-
gresse durch deutsche Untreue erlitten hätte. Nun ist auf dem
Berliner Congresse kein russischer Wunsch ausgesprochen worden,
den Deutschland nicht zur Annahme gebracht hätte, unter Um-
ständen durch energisches Auftreten bei dem englischen Premier-
minister ½, obschon letztrer krank und bettlägerig war. Anstatt
hierfür dankbar zu sein, fand man es der russischen Politik
entsprechend, unter Führung des lebensmüden, aber immer noch
krankhaft eitlen Fürsten Gortschakow und der Moskauer Blätter,
an der weitern Entfremdung zwischen Rußland und Deutsch-
land fortzuarbeiten, für die weder im Interesse des einen noch
des andern dieser großen Nachbarreiche das mindeste Bedürfniß
vorliegt. Wir beneiden uns nichts und haben nichts von
einander zu gewinnen, was wir brauchen könnten. Unfre
gegenseitigen Beziehungen sind nur gefährdet durch persönliche
Stimmungen, wie die von Gortschakow waren und wie es die
von hochstehenden russischen Militärs bei ihren französischen
Verschwägerungen sind, und durch monarchische Verstimmungen,
wie sie schon vor dem siebenjährigen Kriege durch sarkastische
Bemerkungen Friedrich's des Großen über die russische Kaiserin?
entstanden. Deshalb ist die persönliche Beziehung der Monarchen
beider Länder zu einander von hoher Bedeutung für den Frieden
der beiden Nachbarreiche, für dessen Störung keine Interessen-
divergenz, sondern nur persönliche Empfindlichkeiten maßgebender
Staatsmänner einen Anlaß bieten könnten.
Von Gortschakow sagten seine Untergebenen im Ministerium:
oll se mire dans son encrier“:p), wie analog Bettina“) über
1) Lord Beaconsfield.
2) Elisabeth.
2) Er spiegelt sich in seinem Tintenfaß.
1) Elisabeth v. Arnim — gewöhnlich Bettina genannt — Tochter des
Peter Anton Brentano und der Maximiliane La Roche, Gattin Achim's
v. Arnim. .