Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

124 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles. 
  
auf denen der König und sein Gefolge gefahren wurde, nicht 
selten 60 bis 70 Werst im Tage, zu Pferde zurücklegte. Für 
seine Bonhomie und die Tonart auf den Jagden in Wuster- 
hausen ist es bezeichnend, daß er gelegentlich vor dem Könige 
erzählte, seine Familie stamme aus Preußisch-Litthauen und 
sei unter dem Namen Kutu nach Rußland gekommen, worauf 
Graf Fritz Eulenburg in seiner witzigen Art bemerkte: „Den 
schließlichen „Soff“ haben Sie also erst in Rußland sich ange- 
eignet“ — allgemeine Heiterkeit, in welche Kutusoff herzlich 
einstimmte. 
Neben der Gewissenhaftigkeit der Meldungen dieses alten 
Soldaten bot die regelmäßige eigenhändige Correspondenz des 
Großherzogs von Sachsen 1) mit dem Kaiser Alexander einen 
Weg, unverfälschte Mittheilungen direct an diesen gelangen zu 
lassen. Der Großherzog, der stets wohlwollend für mich war 
und geblieben ist, war in Petersburg ein Anwalt der guten 
Beziehungen zwischen beiden Cabineten. 
Die Möglichkeit einer europäischen Intervention war für 
mich eine Ursache der Beunruhigung und der Ungeduld ange- 
sichts der Stagnation der Belagerung. Kriegerische Wechsel- 
fälle sind in Situationen, wie die unsrige vor Paris war, bei 
der besten Leitung und der größten Tapferkeit nicht ausge- 
schlossen; sie können durch Zufälligkeiten aller Art herbeigeführt 
werden, und für solche bot unfre Stellung zwischen der nume- 
risch reichlich starken belagerten Armee und den nach Zahl und 
Oertlichkeit schwer zu controllirenden Streitkräften der Pro- 
vinzen ein reiches Feld, auch wenn unfre Truppen vor Paris, 
im Westen, Norden und Osten Frankreichs vor Seuchen be- 
wahrt blieben. Die Frage, wie der Gesundheitszustand des 
deutschen Heeres sich in den Beschwerden eines so ungewöhn- 
lich harten Winters bewähren werde, entzog sich jeder Berech- 
1) Karl Alexander (gest. 5. Jan. 1901).
	        
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