Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

136 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles. 
  
Wollte man dagegen Gewalt anwenden, so würde dergleichen 
Jahrhunderte hindurch nicht vergessen und eine Saat von Miß- 
traun und Haß ausstreun . 
dem Kronprinzen hatte ich eine mich sehr befriedigende Unterredung in 
Donchery", Bismarck's Briefe an seine Gattin aus dem Kriege 1870/71 
S. 39 (2. Ausg. S. 605). Daraus und aus dem Briefe an O. Lorenz geht 
hervor, daß die scharfe Auseinandersetzung, von der die Gedanken 
und Erinnerungen berichten, auf jenem mehrstündigen Ritte erfolgte, 
während zu Donchery die Tags vorher unerledigt gebliebene Meinungs- 
verschiedenheit befriedigend ausgeglichen wurde. Auch die von O. Lorenz 
aus seiner Unterredung mit Bismarck (am 14. Oct. 1889) bezeugte Aeuße- 
rung, das Gespräch zwischen dem Kronprinzen und ihm habe stattge- 
funden, als sie zusammen über eine Wiese ritten; sie hätten sich so in 
Eifer geredet, daß der Kronprinz die Führung des Pferdes verloren 
und Bismarck bei der Unsicherheit des Terrains — einer von Abzugs- 
gräben durchzogenen Wiese — sich gedrungen gefühlt habe, den Kron- 
prinzen zur Vorsicht zu mahnen (O. Lorenz a. a. O. S. 619) — stimmt 
durchaus mit meiner auf die Quellen gestützten Auffassung zusammen. 
Von Abzugsgräben durchzogenes Wiesengelände findet sich an vielen 
Stellen des am Nachmittage des 2. Sept. durchrittenen Bivouacgebietes; 
zu M. Busch sagte Bismarck, daß er während des Gesprächs neben dem 
Kronprinzen in einer langen Allee herritt, das war vermuthlich die 
Pappelallee von Donchery. — Man pgl. auch die auf Fürst H. Bis- 
marck's Informationen zurückgehenden Mittheilungen in den Hamb. 
Nachrichten vom 7. Aug. 1902 (Nr. 184): Der Kronprinz, Fürst Bismarck 
und die Kaiserfrage. 
1) Daran schließen sich in dem Entwurf die nachträglich gestrichenen 
Sätze: „Die Erinnrung an die Sendlinger Mordweihnacht (1705) stehe 
heut noch wie ein Gespenst zwischen Baiern und Oestreich; wir Branden- 
burger sollten nicht vergessen, daß vor nicht viel unter tausend Jahren 
der Markgraf Gero dreißig wendische Fürsten zu Gaste lud und er- 
morden ließ und daß infolge dessen die Deutschen auf zweihundert 
Jahre aus dem Gebiete, in dem sie Fuß gefaßt hatten, hinausgeworfen 
wurden. Zu solchen Praktiken könne ein Edelmann nicht die Hand 
bieten." — Die That des Markgrafen Gero, der 30 wendische Fürsten 
beim Mahle überfiel und tödtete, berichtet Widukind, Res gestae 
Saxonicae II 20; daß er sie selbst in treuloser Weise zum Mahle 
geladen habe, sagt Widukind nicht ausdrücklich. Ueber die Send- 
linger Mordweihnacht (25. December 1705) vgl. Sepp, Der bairische 
Bauernkrieg mit den Schlachten bei Sendling und Aidenbach. München 
1884.
	        
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