142 Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles.
rufend, daß die Rapporte seines russischen Regiments Kaluga
stets „pruskomn“ adressirt seien, was er irrthümlich übersetzte.
Meiner Versicherung, daß die Form der Dativ des Adjectivums
sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst nachher von
seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem Hofrath
Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend, daß
unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. auf den
Thalern Borussorum, nicht Borussiae rex erscheine, daß der
Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch
auf die nichtpreußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu
bewilligen nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des
Königs von Baiern in Anregung gebracht sei, daß die „Aus-
übung der Präsidialrechte mit Führung des Titels eines Deut-
schen Kaisers verbunden werde“; endlich daß derselbe Titel auf
Vorschlag des Bundesraths in die neue Fassung des Artikel 11
der Verfassung aufgenommen sei.
Die Erörterung ging über auf den Rang zwischen Kaisern
und Königen, zwischen Erzherzogen, Großfürsten und preußi-
schen Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Princip
ein Vorrang vor Königen nicht eingeräumt werde, fand keinen
Glauben, obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich
Wilhelm I. bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch
dem Kurfürsten von Brandenburg gegenüber die Stellung des
Lehnsherrn hatte, als König von Preußen die Gleichheit be-
anspruchte und durchsetzte, indem man eeinen Pavillon erbaun
ließ, in den die beiden Monarchen von den entgegengesetzten
Seiten gleichzeitig eintraten, um einander in der Mitte zu be-
gegnen.
Die Zustimmung, die der Kronprinz zu meiner Ausführung
zu erkennen gab, reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er
auf den Tisch schlagend sagte: „Und wenn es so gewesen wäre,
so befehle ich jetzt, wie es sein soll. Die Erzherzoge und Groß-
fürsten haben stets den Vorrang vor den preußischen Prinzen