Bismarck und die Armee. Die Aera-Artikel der Kreuzzeitung. 177
4.
Als die Kreuzzeitung, weil ich Parlamentsherrschaft und
Atheismus proclamirt hätte, schon am 11. Februar 1872 Fehde
angesagt und unter Nathusius-Ludom:) 1875 mit den sogenannten
Aeraartikeln Perrot's &) den Verleumdungsfeldzug gegen mich
eröffnet hatte, wandte ich mich brieflich an Amsberg, eine unfrer
höchsten juristischen Autoritäten, und an den Justizminister“)
mit der Frage, ob, wenn ich einen Strafantrag stellte, eine
Verurtheilung des Verfassers mit Sicherheit zu erwarten sei;
andernfalls würde ich von einem solchen abstehn, weil ein frei-
sprechendes Erkenntniß meinen Gegnern neue Vorwände zu
Verdächtigungen geben könnte. Die Antwort Beider und
meines gleichfalls befragten Rechtsanwalts fiel dahin aus, daß
die Verurtheilung wahrscheinlich, aber bei der vorsichtigen
Fassung der Artikel nicht sicher sei. Ich hatte mir damals
über die Stellung von Strafanträgen noch keine bestimmten
Grundsätze gebildet, und die Erfahrungen, welche ich in der
Conflictszeit gemacht hatte, waren nicht grade ermuthigend; ich
erinnre mich, daß ein Ortsgericht, ich glaube in Stendal, in
den Gründen seines Erkenntnisses die Schwere der öffentlich
gegen mich gerichteten Beleidigungen zwar reichlich zugab, aber
die Festsetzung einer Minimalstrafe von 10 Thalern damit
motivirte, daß ich wirklich ein übler Minister sei.
Als die Perrot'schen Artikel erschienen, sah ich auch noch
nicht voraus, welchen Umfang der Verleumdungsfeldzug gegen
mich von Seiten meiner frühern Parteigenossen und nament-
lich in den Kreisen meiner Standesgenossen annehmen sollte.
X) Dr. Perrot, Hauptmann a. D., geb. in Trier, gest. 1891, Verfasser
national-ökonomischer Brochüren, zuletzt Kaufmann.
1) Philipp v. Nathusius-Ludom, conservativer Parteimann und
Publicist (gest. 8. Juli 1900).
2) Adolf Leonhardt, von 1867—1879 preußischer Justizminister (gest.
7. Mai 1880).
Otte Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 12