180 Fünfundzwanzigstes Kapitel: Bruch mit den Conservativen.
thum, sondern nur den Ehrgeiz und die gehässige Verbissenheit
einzelner Redacteure vertritt. Als ich über die Giftmischereien
des Blatts am 9. Februar 1876 in öffentlicher Rede Klage
geführt hatte ½, antwortete mir die Kundgebung der sogenannten
Declaranten, deren wissenschaftliches Contingent aus einigen
hundert evangelischen Geistlichen bestand, die in ihrem amt-
lichen Charakter mir in dieser Form als Eideshelfer der Kreuz-
zeitungslügen entgegentraten und ihre Mission als Diener der
christlichen Kirche und ihres Friedens dadurch bethätigten, daß
sie die Verleumdungen des Blatts öffentlich contrasignirten.
Ich habe gegen Politiker in langen Kleidern, weiblichen und
priesterlichen, immer Mißtraun gehegt, und dieses Pronun-
ciamento einiger hundert evangelischer Pfarrer zu Gunsten
einer der frivolsten, gegen den ersten Beamten des Landes
gerichteten Verleumdung war nicht geeignet, mein Vertraun
grade zu Politikern, die im Priesterrock, auch in einem evangeli-
schen, stecken, zu stärken. Zwischen mir und allen Declaranten,
von denen viele bis dahin zu meinen Bekannten, sogar zu
meinen Freunden gehört hatten, war, nachdem sie sich die
ehrenrührigen Beschimpfungen aus der Feder Perrot's ange-
eignet hatten, die Möglichkeit eines persönlichen Verkehrs voll-
ständig abgeschnitten.
Für die Nerven eines Mannes in reifen Jahren ist es eine
harte Probe, plötzlich mit allen oder fast allen Freunden und
Bekannten den bisherigen Umgang abzubrechen. Meine Ge-
sundheit war damals längst geschwächt, nicht durch die Arbeiten,
welche mir oblagen, aber durch das ununterbrochne Bewußt-
sein der Verantwortlichkeit für große Ereignisse, bei denen die
Zukunft des Vaterlands auf dem Spiele stand. Ich habe
natürlich während der bewegten und gelegentlich stürmischen
Entwicklung unfrer Politik nicht immer mit Sicherheit voraus-
) Politische Reden VI 351.