Bismarck als Vertreter des öffentl. Interesses gegen die Ressorts. 239
dem Elsaß sehe ich den gemeinschaftlichen Ausdruck der Kampfes-
scheu, die die Zukunft für etwas mehr Begquemlichkeit in der
Gegenwart zu opfern bereit ist. Der Zweck, wohlfeiles
Schweinefleisch zu haben, wird durch laxe Behandlung der An-
steckungsgefahr auf die Dauer ebenso wenig gefördert werden
wie die Loslösung des Elsaß von Frankreich durch die beifalls-
bedürftige Weichlichkeit gegen locale Beschwerden und Grenz-
schwierigkeiten.
Was die Reichsämter betrifft, so habe ich mit dem Schatz-
amte stets gute Fühlung gehabt, zur Zeit von Scholz wie von
Maltzahn 1). Die Bestimmung dieses Amtes hatte keine größre
Tragweite als diejenige, dem Reichskanzler in seinen Erörte-
rungen und Verständigungen mit dem preußischen Minister der
Finanzen Beistand und technisch geschulte Arbeitskräfte zu stellen.
Die entscheidende Stelle in Finanzfragen blieb der preußische
Finanzminister und das Staatsministerium. Der Charakter
beider Herrn gestattete, Meinungsverschiedenheiten in ehrlicher
Erörterung und ohne Verstimmung zu erledigen. Die neuer-
dings?) in der Presse vertretne und thatsächlich gehandhabte
Auffassung von der Möglichkeit einer von einander unabhängigen
Finanzpolitik des Reichskanzlers oder gar des ihm untergebenen
Reichsschatzamtes einerseits und des preußischen Finanzministers
andrerseits galt zu meiner Zeit als verfassungswidrig. Diver-
genzen beider Stellen fanden ihre Lösung in collegialischen
Berathungen des Staatsministeriums, dem der Kanzler als
auswärtiger Minister angehörte, und ohne dessen vorausge-
setztes oder ausgesprochnes Verständniß er nicht berechtigt ist,
im Bundesrath die preußischen Stimmen abzugeben oder eine
Gesetzesvorlage zu machen.
1) Hellmuth, Freiherr v. Maltzahn wurde am 14. Sept. 1888 nach
dem Rücktritt Jacobi's Staatssecretär des Reichsschatzamtes und be-
kleidete diese Stelle bis zum 12. August 1893.
2) D. h. zur Zeit der Abfassung der Gedanken und Erinnerungen.