8 Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
dritte Hand über Ihre mündlichen und schriftlichen Auslassungen
in Betreff meiner zugeht. Und doch muß ich als Minister, wenn
das Staatsinteresse nicht leiden soll, gegen den Botschafter in
Paris rückhaltlos offen bis zum letzten Worte meiner Politik
sein. Die Friction, welche Jeder in meiner Stellung mit den
Ministern und Räthen, am Hofe, mit den occulten Einflüssen,
Kammern, Presse, den fremden Höfen zu überwinden hat, kann
nicht dadurch vermehrt werden, daß die Disciplin meines Ressorts
einer Concurrenz zwischen dem Minister und dem Gesandten
Platz macht und daß ich die unentbehrliche Einheit des Dienstes
durch Discussion im Wege des Schriftwechsels herstelle. Ich
kann selten so viel schreiben wie heut in der Nacht am heiligen
Abend, wo alle Beamte beurlaubt sind, und ich würde an nie-
manden als an Sie den vierten Theil des Briefs schreiben.
Ich thue es, weil ich mich nicht entschließen kann, Ihnen amt-
lich und durch die Büros in derselben Höhe des Tones zu
schreiben, bei welchem Ihre Berichte angelangt sind. Ich habe
nicht die Hoffnung, Sie zu überzeugen, aber ich habe das Ver-
traun zu Ihrer eignen dienstlichen Erfahrung und zu Ihrer
Unparteilichkeit, daß Sie mir zugeben werden, es kann nur Eine
Politik auf einmal gemacht werden, und das muß die sein, über
welche das Ministerium mit dem Könige einig ist. Wollen Sie
dieselbe und damit das Ministerium zu werfen suchen, so müssen
Sie das hier in der Kammer und der Presse an der Spitze
der Opposition unternehmen, aber nicht von Ihrer jetzigen
Stellung aus; und dann muß ich mich ebenfalls an Ihren Satz
halten, daß in einem Conflict des Patriotismus und der Freund-
schaft der Erstre entscheidet. Ich kann Sie aber versichern, daß
mein Patriotismus von so starker und reiner Natur ist, daß
eine Freundschaft, die neben ihm zu kurz kommt, dennoch eine
sehr herzliche sein kann“ 7).
1) Goltz' Antwort auf diesen Brief mit Bismarck's Randbemerkungen
s. im Bismarck-Jahrbuch V 238 ff.