246 Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß.
wundet und geschädigt werde, daß seine Stellung als unab-
hängige und in Europa mitredende Großmacht gefährdet würde.
Diese unsre Erklärung, welche von uns in zweifelsfreier Deut-
lichkeit zu erzwingen Gortschakow seinen Herrn bewogen hatte,
um ihm den platonischen Charakter unsrer Liebe zu beweisen,
hatte zur Folge, daß das russische Gewitter von Ostgalizien
sich nach dem Balkan hin verzog und daß Rußland anstatt der
mit uns abgebrochenen Verhandlungen dergleichen mit Oest-
reich, so viel ich mich erinnre, zunächst in Pest, im Sinne der
Abmachungen von Reichstadt, wo die Kaiser Alexander und
Franz Joseph am 8. Juli 1876 zusammengetroffen waren, ein-
leitete unter dem Verlangen, sie vor uns geheim zu halten.
Diese Convention ½, nicht der Berliner Congreß, ist die Grund-
lage des östreichischen Besitzes an Bosnien und der Herzegowina
und hat den Russen während ihres Krieges mit den Türken
die Neutralität Oestreichs gesichert.
2. .
Daß das russische Cabinet in den Abmachungen von Reich-
stadt den Oestreichern für ihre Neutralität die Erwerbung
Bosniens zugestanden hat, läßt annehmen, daß Herr von
Oubril:) uns nicht die Wahrheit sagte, indem er versicherte,
es werde sich in dem Balkankriege nur um eine promenade
militaire, um Beschäftigung des trop plein des Heeres und um
Roßschweise und Georgenkreuze handeln; dafür wäre Bosnien
ein zu hoher Preis gewesen. Wahrscheinlich hatte man in
Petersburg darauf gerechnet, daß Bulgarien, wenn von der
Türkei losgelöst, dauernd in Abhängigkeit von Rußland bleiben
werde. Diese Berechnung würde wahrscheinlich auch dann nicht
zugetroffen sein, wenn der Friede von San Stefano ) unge-
1) Abgeschlossen am 15. Januar 1877.
:) Der russische Botschafter am Berliner Hofe.
:) 3. März 1878.