Schwierigkeiten eines deutsch-russischen Bündnisses. 261
sischen Wünschen entsprechend absagte, Rußland gegenüber in
eine ungleiche Stellung gerathen könne, weil die geographische
Lage und die autokratische Verfassung Rußlands diesem für das
Aufgeben des Bündnisses stets mehr Leichtigkeit gewähre, als
wir haben würden, und weil das Festhalten an der alten Tra-
dition des preußisch-russischen Bundes doch immer nur auf zwei
Augen stehe d. h. von dem Gemüthsleben des jedesmaligen
Kaisers von Rußland abhänge. Unfre Beziehungen zu Ruß-
land beruhten wesentlich auf dem persönlichen Verhältniß beider
Monarchen zu einander und auf dessen richtiger Pflege durch
höfische und diplomatische Geschicklichkeit, respective Gesinnung
der beiderseitigen Vertreter. Wir hätten das Beispiel gehabt,
daß bei ziemlich hülflosen preußischen Gesandten in Petersburg
durch die Geschicklichkeit von Militärbevollmächtigten, wie der
Generale von Rauch und Graf Münster, die gegenseitigen Be-
ziehungen intim geblieben wären, trotz mancher berechtigten
Empfindlichkeit auf beiden Seiten. Wir hätten ebenso erlebt,
daß jähzornige oder reizbare Vertreter Rußlands, wie Budberg
und Oubril, durch ihre Haltung in Berlin und durch ihre Be-
richterstattung, wenn sie persönlich verstimmt waren, Eindrücke
erzeugten, welche auf die gegenseitigen Gesammtbeziehungen
zweier Völker von einundeinhalb Hundert Millionen gefährlich
zurückwirken konnten.
Ich erinnre mich, daß Fürst Gortschakow mir, als ich in
Petersburg Gesandter war und seines unbegrenzten Vertrauns
mich erfreute, mitunter, wenn er mich warten ließ, noch un-
erbrochne Berliner Berichte zu lesen gab, bevor er selbst sie
durchgesehn hatte. Ich war zuweilen erstaunt, daraus zu ent-
nehmen, mit welchem Uebelwollen mein früherer Freund Bud-
berg seiner Empfindlichkeit über irgend ein Erlebniß in der
Gesellschaft oder auch nur dem Bedürfniß, einen witzigen Sarkas-
mus über Berliner Verhältnisse am Hofe und in dem Mini-
sterium anzubringen, die Aufgabe der Erhaltung der gegen-