Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

Aufgaben eines Gesandten an einem fremden Hofe. 263 
  
nungen mit Vorliebe zu melden und zu würdigen, als die Be- 
ziehungen zwischen beiden Höfen zu bessern und zu pflegen, so 
lange letztres, wie in Deutschland stets der Fall ist, die Auf- 
gabe unfrer Politik war. Ich habe mich für berechtigt ge- 
halten, aus Petersburg und Paris Dinge, die zu Hause nur 
zwecklos verstimmen konnten oder sich lediglich zu satirischen 
Darstellungen eigneten, zu verschweigen und, als ich Minister 
war, dergleichen allerhöchsten Orts nicht vorzulegen. In der 
Stellung eines Botschafters am Hofe einer Großmacht findet 
die Verpflichtung zur mechanischen Berichterstattung über alle 
am Domicil des Botschafters vorkommenden thörichten Reden 
und Bosheiten nicht Anwendung. Ein Botschafter nicht nur, 
sondern auch jeder deutsche Diplomat an einem deutschen Hofe 
sollte nicht Berichte schreiben, wie sie Budberg, Oubril aus 
Berlin, Balabin aus Wien nach Hause sandten in der Berech- 
nung, daß sie als witzig mit Interesse und mit selbstgefälliger 
Heiterkeit gelesen würden, sondern er sollte sich, so lange die 
Verhältnisse freundlich sind und bleiben sollen, des Hetzens und 
Klatschens enthalten. Wer nur das Förmliche des Geschäfts- 
ganges im Auge hat, wird es allerdings für das Richtigste 
halten, daß der Gesandte rückhaltlos meldet, was er hört, und 
es dem Minister überläßt, über was er hinwegsehn und was 
er betonen will. Ob das aber sachlich zweckmäßig ist, hängt 
von der Persönlichkeit des Ministers ab. Da ich mich für 
ebenso einsichtig hielt wie Herrn von Schleinitz und einen tiefern 
und gewissenhaftern Antheil an dem Schicksal unfres Landes 
nahm als er, so habe ich mich für berechtigt und verpflichtet 
gehalten, manches nicht zu seiner Kenntniß zu bringen, was in 
seinen Händen Verhetzungen und Intriguen am Hofe im Sinne 
einer Politik dienen konnte, die nicht die des Königs war. 
Ich kehre von dieser Abschweifung zu den Besprechungen 
zurück, die ich zur Zeit des Balkankriegs mit dem Grafen 
Peter Schuwalow gehabt habe. Ich sagte ihm, daß wir, wenn
	        
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