Gefahren einer deutschfeindlichen Coalition. 287
unsrer Gegner denkt mit dem Bestreben, die Ergebnisse von
1866 aus der Welt zu schaffen.
Diese pessimistische, aber doch nicht außer dem Bereich der
Möglichkeit liegende und durch Vergangnes nicht ungerecht-
fertigte Vorstellung hatte mich veranlaßt, die Frage anzuregen,
ob sich ein organischer Verband zwischen dem Deutschen Reiche
und Oestreich-Ungarn empföhle, der nicht wie gewöhnliche Ver-
träge kündbar, sondern der Gesetzgebung beider Reiche einver-
leibt und nur durch einen neuen Act der Gesetzgebung eines
derselben lösbar wäre.
Eine solche Assecuranz hat für den Gedanken etwas Be-
ruhigendes; ob auch im Drange der Ereignisse etwas Sicher-
stellendes, daran kann man zweifeln, wenn man sich erinnert,
daß die theoretisch sehr viel stärker verpflichtende Verfassung
des Heiligen Römischen Reichs den Zusammenhalt der deutschen
Nation niemals hat sichern können und daß wir nicht im
Stande sein würden, für unser Verhältniß zu Oestreich einen
Vertragsmodus zu finden, der in sich eine stärkre Bindekraft
trüge als die frühern Bundesverträge, nach denen die Schlacht
von Königgrätz theoretisch unmöglich war. Die Haltbarkeit aller
Verträge zwischen Großstaaten ist eine bedingte, sobald sie „in
dem Kampf um's Dasein“ auf die Probe gestellt wird. Keine
große Nation wird je zu bewegen sein, ihr Bestehn auf dem
Altar der Vertragstreue zu opfern, wenn sie gezwungen ist,
zwischen beiden zu wählen. Das ultra posse nemo obligatur 0
kann durch keine Vertragsclausel außer Kraft gesetzt werden;
und ebensowenig läßt sich durch einen Vertrag das Maß von
Ernst und Kraftaufwand sicherstellen, mit dem die Erfüllung
geleistet werden wird, sobald das eigne Interesse des Erfüllen-
den dem unterschriebenen Texte und seiner frühern Auslegung
nicht mehr zur Seite steht. Es läßt sich daher, wenn in der
1) Ueber seine Kraft hinaus ist niemand verpflichtet.