Gespräch mit Wilhelm I. Fleiß und Gewissenhaftigkeit Wilhelm's. 321
Bauern 1853 befanden y. Ich schickte ihm die Arbeit nicht ohne
die Befürchtung, der Prinz würde kurz und ironisch antworten,
er habe durch mich nichts erfahren, was er nicht schon seit
30 Jahren wisse. Umgekehrt aber dankte er mir lebhaft für
die interessante Zusammenstellung der ihm neuen Daten?.
3.
Von dem Augenblicke des Antritts der Regentschaft an
hatte Prinz Wilhelm den Mangel an geschäftlicher Vorbildung
so lebhaft empfunden, daß er keine Arbeit Tag und Nacht
scheute, um demselben abzuhelfen. Wenn er „Staatsgeschäfte
erledigte“, so urbeitete er wirklich, mit vollem Ernst und voller
Gewissenhaftigkeit. Er las alle Eingänge, nicht blos die,
welche ihn anzogen, studirte die Verträge und Gesetze, um sich
ein selbständiges Urtheil zu bilden. Er kannte keine Vergnü-
gung, die den Staatsgeschäften Zeit entzogen hätte. Er las
niemals Romane oder sonst Bücher, die nicht Bezug auf seinen
Herrscherberuf hatten. Er rauchte nicht, spielte nicht Karten.
Wenn nach einem Jagddiner in Wusterhausen die Gesellschaft
sich in das Zimmer begab, in dem Friedrich Wilhelm I. das
Tabakscollegium zu versammeln pflegte, so ließ er sich, damit
die Anwesenden in seiner Gegenwart rauchen durften, eine der
langen holländischen Thonpfeifen reichen, that einige Züge und
legte sie mit einem krausen Gesichte aus der Hand. Als er
in Frankfurt, damals noch Prinz von Preußen, auf einem
Balle in ein Zimmer gerieth, in dem Hazard gespielt wurde,
sagte er zu mir: „Ich will doch auch einmal mein Glück ver-
1) Vgl. Briefe Bismarck's an seine Frau vom 27. Aug. und 5. Sept.
1853 (S. 358 und 361), namentlich in letzterem die Stelle: „Ich habe
dem Prinzen von Preußen eine Ausarbeitung von größerem Umfange
zugesagt, von der ich mir einen günstigen Einfluß auf Sr. K. H. Auf-
fassungen der inneren Politik verspreche.“
:) Vgl. dazu Berner, Kaiser Wilhelm's des Großen Briefe, Reden
und Schriften Bd. I S. 343.
Otto Fürst von Blsmarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 21