16 Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
Augen, daß Graf Bismarck sich in dieser Handlungsweise mit
der Gesinnung und den Zielen seines Königs in Widerspruch
setzte und sein größtes Geschick darin bewies, daß er ihn Schritt
für Schritt dem entgegengesetzten Ziele näher führte, bis die
Umkehr unmöglich schien, während es nach meinem Dafürhalten
die erste Pflicht eines Ministers ist, seinen Fürsten treu zu be-
rathen, ihm die Mittel zur Ausführung seiner Absichten darzu-
reichen und vor Allem dessen Bild vor der Welt rein zu erhalten.
Eurer Majestät gerader, gerechter und ritterlicher Sinn ist welt-
bekannt und hat Allerhöchstdemselben das allgemeine Vertrauen,
die allgemeine Verehrung zugewendet. Graf Bismarck aber hat
es dahin gebracht, daß Eurer Majestät edelste Worte dem eigenen
Lande gegenüber, weil nicht geglaubt, wirkungslos verhallen
und daß jede Verständigung mit andern Mächten unmöglich ge-
worden, weil die erste Vorbedingung derselben, das Vertrauen,
durch eine ränkevolle Politik zerstört worden ist.. Noch ist
kein Schuß gefallen, noch ist Verständigung unter einer Bedingung
möglich. Nicht die Kriegsrüstungen sind einzustellen, vielmehr,
wenn es nöthig ist, zu verdoppeln, um Gegnern, die unfre Ver-
nichtung wollen, siegreich entgegen zu treten oder mit vollen
Ehren aus dem verwickelten Handel herauszukommen. Aber
jede Verständigung ist unmöglich, so lange der Mann an Eurer
Majestät Seite steht, Ihr entschiedenes Vertrauen besitzt, der dieses
Eurer Majestät bei allen andern Mächten geraubt hat“ )
3.
Als der König dieses Schreiben erhielt, war er schon aus
der Verstrickung der darin wiederholten Argumente frei geworden
durch den Gasteiner Vertrag vom 14./20. August 18652). Mit
1) König Wilhelm eröffnete den Brief erst in Nikolsburg im Juli
1866; seine Antwort begann: „In Nikolsburg eröffnete ich erst Ihren
Brief, und Ort und Datum der Antwort wären Antwort genug! 2c.“;
vgl. Schneider, Aus dem Leben Wilhelm's I. Bd. I 341.
2) Staatsarchiv von Aegidi und Klauhold Bd. IX 288 Nr. 2011.