Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

Wilhelm I. unter dem Einflusse seiner Gemalin. 327 
  
Ich hatte durch langjährige Gewohnheit allmälig ziemliche 
Sicherheit in Beurtheilung der Frage gewonnen, ob der Kaiser 
Anträgen, die mir logisch geboten erschienen, aus eigner Ueber- 
zeugung oder im Interesse des Hausfriedens widerstand. War 
erstres der Fall, so konnte ich in der Regel auf Verständigung 
rechnen, wenn ich die Zeit abwartete, wo der klare Verstand 
des Herrn sich die Sache assimilirt hatte. Oder er berief sich 
auf das Minister-Conseil. In solchen Fällen blieb die Dis- 
cussion zwischen mir und S. Majestät immer sachlich. Anders 
war es, wenn die Ursache des königlichen Widerstrebens gegen 
ministerielle Meinungen in vorhergegangnen Erörterungen der 
Frage lag, die Ihre Majestät beim Frühstück hervorgerufen 
und bis zu scharfer Aussprache der Zustimmung durchgeführt 
hatte. Wenn der König in solchen Momenten, beeinflußt durch 
ad hoc ) geschriebene Briefe und Zeitungsartikel, zu raschen 
Aeußerungen im Sinne antiministerieller Politik gebracht war, 
so pflegte Ihre Majestät den gewonnenen Erfolg zu befestigen 
durch Aeußerung von Zweifeln, ob der Kaiser im Stande sein 
werde, die geäußerte Absicht oder Meinung „Bismarck gegen- 
über"“ aufrecht zu erhalten. Wenn Se. Mocjestät nicht auf 
Grund eigner Ueberzeugung, sondern weiblicher Bearbeitung 
widerstand, so konnte ich dies daran erkennen, daß seine Argu- 
mente unsachlich und unlogisch waren. Dann endete eine solche 
Erörterung, wenn ein Gegenargument nicht mehr zu finden 
war, wohl mit der Wendung: „Ei der Tausend, da muß ich 
doch sehr bitten.“ Ich wußte dann, daß ich nicht den Kaiser, 
sondern die Gemalin mir gegenüber gehabt hatte. 
Alle Gegner, die ich mir in den verschiedensten Regionen 
im Laufe meiner politischen Kämpfe nothwendiger Weise und 
im Interesse des Dienstes zugezogen hatte, fanden in ihrem 
gemeinsamen Hasse gegen mich ein Band, das einstweilen stärker 
1) Zu diesem Zwecke.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.