Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

344 Zweiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Wilhelm I. 
  
ruhigerer Ueberlegung wird sich mein Sohn wohl beruhigt 
haben. Schwieriger würde diese Ueberlegung sein, wenn er 
erfährt, daß seinem Sohn eine noch größere Einsicht in die 
Staatsgeschäfte gestattet wird ulnd) selbst ein Civil-Adjudant 
gegeben wird — wie ich seiner Zeit meine vortragenden Räthe 
bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz sanders], 
da ein Grund meinen Königlichen Vater veranlassen konnte, für 
einen Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu bestellen5), 
obgleich meine Erbschaft an der Krone schon längst vorher zu 
sehen war, ulnd) unterblieb meine Einführung bis zu meinem 
44. Jahre, als mein Bruder mich sofort zum Mitglied des 
Staats Ministeriums ernannte mit Beilegung des Titels als 
Prinz von Preußen. Mit dieser Stellung war also die Zu- 
theilung eines erfahrenen Geschäftsmanns nothwendig, um mich 
zur jedesmaligen Staats Ministerial Sitzung vorzubereiten. Zu- 
gleich erhielt ich täglich die politischen Dépéchen, nachdem die- 
selben durch 4—5—6 Hände, — den Siegeln nach, gegangen 
waren! Für?) bloße Conversation, wie Sie es vorschlagen, 
einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt also des 
Grundes, einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem be- 
stimmten Zweck ulnd) würde bestimmt meinen Sohn von 
Neuem ulnd) noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben 
muß. Ich schlage daher vor, daß die bisherige Art der Be- 
schäftigung-Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung 
beibehalten wird d. h. einzelnen Staats Ministerien zugetheilt 
werde und vielleicht auf zwei ausgedehnt werde, wie in diesem 
Winter, wo mein Enkel freiwillig den Besuch des Auswärtigen 
Amts ferner zu gestatten neben dem Finanz Ministerium, welche 
Freiwilligkeit dann von Neujahr ganz sortfallen könnte, ulnd) 
1) Ergänzung des Herausgebers. 
:) Offenbar schwebte dem Kaiser sorgen vor, als er die Worte 
„für einen Stellvertreter“ niederschrieb. 
?:) Original: Eine.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.