Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

354 Dreiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Friedrich III. 
  
Wenn man sich die Zeit vergegenwärtigt, wo das Centrum, 
gestützt weniger auf den Papst als auf den Jesuitenorden, die 
Welfen, nicht blos die hanöverschen, die Polen, die französi- 
renden Elsässer, die Volksparteiler, die Socialdemokraten, die 
Freisinnigen und die Particularisten, einig unter einander nur 
in der Feindschaft gegen das Reich und seine Dynastie, unter 
Führung desselben Windthorst, der vor und nach seinem Tode ½ 
zu einem Nationalheiligen gemacht wurde, eine sichre und 
herrische Mehrheit gegen den Kaiser und die verbündeten Re- 
girungen besaß, so wird Jeder, der die damalige Situation 
und die von Westen und Osten drohenden Gefahren sachkundig 
zu beurtheilen im Stande ist, es natürlich finden, daß ein für 
die Schlußergebnisse verantwortlicher Reichskanzler daran dachte, 
den möglichen auswärtigen Verwicklungen und ihrer Verbindung 
mit innern Gefahren mit derselben Unabhängigkeit entgegen zu 
treten, mit der der böhmische Krieg ohne Einverständniß, viel- 
fach sogar im Widerspruche mit politischen Stimmungen unter- 
nommen wurde. 
Von den Privatbriefen des Kaisers Friedrich theile ich einen 
um seinet= und um meinetwillen mit, als Probe seiner Sinnes- 
art und seines schriftlichen Ausdrucks und behufs Zerstörung 
der Legende, daß ich „ein Feind der Armee“ gewesen sei. 
„Charlottenburg, 25. März 1888. 
Ich gedenke mit Ihnen, mein lieber Fürst, der heute ab- 
gelaufenen 50 Jahre, welche verstrichen sind, seitdem Sie in 
das Heer eintraten, und freue mich aufrichtig, daß der Garde- 
Jäger von damals mit so viel Zufriedenheit auf dieses ab- 
gelaufene halbe Jahrhundert zurückblicken kann. Ich will mich 
heute nicht in lange Auseinandersetzungen über die staatsmänni- 
schen Verdienste einlassen, welche Ihren Namen für immer mit 
unfrer Geschichte verflochten haben. Aber das Eine muß ich 
9 14. März 1891.
	        
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