46 Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg.
festhalten müsse. Dieser Unterschied in der Behandlung der
Bundesgenossen beruhte auf den persönlichen Beziehungen zum
Könige von Sachsen und auf dem Verhalten der sächsischen
Truppen nach der Schlacht bei Königgrätz, die bei dem Rück-
zuge den festesten und intactesten militärischen Körper gebildet
hatten. Die andern deutschen Truppen hatten sich tapfer ge-
schlagen, wo sie in's Gefecht kamen, aber spät und ohne praktische
Erfolge, und es waltete in Wien der den Umständen nach un-
berechtigte Eindruck vor, von den Bundesgenossen, namentlich
von Baiern und Würtemberg, unzulänglich unterstützt zu sein.
Das Generalstabswerk sagt unter dem 21. Juli:
„In Nikolsburg hatten seit mehreren Tagen Verhandlungen
Statt gefunden, deren nächstes Ziel eine fünftägige Waffenruhe
war. Vor Allem galt es, für die Diplomatie Zeit zu gewinnen 26).
Jetzt, wo das preußische Heer das Marchfeld betrat, stand eine
neue Katastrophe unmittelbar bevor.“
Ich fragte Moltke, ob er unser Unternehmen bei Preßburg
für gefährlich oder für unbedenklich halte. Bis jetzt hätten wir
keinen Flecken auf der weißen Weste. Sei mit Sicherheit auf
einen guten Ausgang zu rechnen, so müßten wir die Schlacht
sich vollziehn, die Waffenruhe einen halben Tag später beginnen
lassen; der Sieg würde unfre Stellung in der Verhandlung
natürlich stärken. Im andern Fall wäre besser auf das Unter-
nehmen zu verzichten. Er gab mir die Antwort, daß er den
Ausgang für zweifelhaft und die Operation für eine gewagte
halte; aber im Kriege sei alles gefährlich. Dies bestimmte mich,
die Verabredung über die Waffenruhe Sr. Majestät in der Art
zu empfehlen, daß Sonntag den 22. Mittags die Feindselig-
keiten eingestellt und nicht vor Mittag des 27. wieder aufge-
nommen werden sollten. Der General von Fransecky erhielt
am 22. Morgens 7 ¼½ Uhr die Nachricht von der an demselben
X) Die Diplomatie hatte aber Angesichts der französischen Ein-
mischung weniger Zeit zu verlieren als die Heeresleitung.