48 Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg.
Er hoffte wohl, einen süddeutschen Bund als franzöfische Filiale
auszubilden. Oestreich trat aus dem Deutschen Bunde aus und
war bereit, alle Einrichtungen, die der König in Norddeutschland
treffen werde, vorbehaltlich der Integrität Sachsens, anzuer-
kennen. Diese Bedingungen enthielten Alles, dessen wir be-
durften: freie Bewegung in Deutschland.
Ich war nach allen vorstehenden Erwägungen fest entschlossen,
die Annahme des von Oestreich gebotnen Friedens zur Cabinets-
frage zu machen. Die Lage war eine schwierige; allen Generalen
war die Abneigung gemeinsam, den bisherigen Siegeslauf ab-
zubrechen, und der König war militärischen Einflüssen im Laufe
jener Tage öfter und bereitwilliger zugänglich als den meinigen;
ich war der Einzige im Hauptaquartier, dem eine politische Ver-
antwortlichkeit als Minister oblag und der sich nothwendig der
Situation gegenüber eine Meinung bilden und einen Entschluß
fassen mußte, ohne sich für den Ausfall auf irgend eine andre
Autorität in Gestalt collegialischen Beschlusses oder höherer
Befehle berufen zu können. Ich konnte die Gestaltung der
Zukunft und das von ihr abhängige Urtheil der Welt ebenso
wenig voraussehn wie irgend ein Andrer, aber ich war der
einzige Anwesende, der gesetzlich verpflichtet war, eine Meinung
zu haben, zu äußern und zu vertreten. Ich hatte sie mir in
sorgsamer Ueberlegung der Zukunft unfrer Stellung in Deutsch-
land und unfrer Beziehungen zu Oestreich gebildet, war bereit,
sie zu verantworten und bei dem Könige zu vertreten. Es war
mir bekannt, daß man mich im Generalstabe den „Questenberg
im Lager“ nannte, und die Identificirung mit dem Wallen-
stein'schen Hofkriegsrath war mir nicht schmeichelhaft.
Am 23. Juli fand unter dem Vorsitze des Königs ein Kriegs-
rath Statt, in dem beschlossen werden sollte, ob unter den ge-
botnen Bedingungen Friede zu machen oder der Krieg fortzusetzen
sei. Eine schmerzhafte Krankheit, an der ich litt, machte es noth-
wendig, die Berathung in meinem Zimmer zu halten. Ich war