Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Zweiter Band. (2)

Vortrag Bismarck's vom 24. Juli. 51 
  
Feldzug von 1792 in der Champagne vor, wo wir nicht durch 
die Franzosen, sondern durch die Ruhr zum Rückzug gezwungen 
wurden. 
Ich entwickelte dem Könige an der Hand meines Schriftstücks 
die politischen und militärischen Gründe, die gegen die Fort- 
setzung des Krieges sprachen ½. 
Oestreich schwer zu verwunden, dauernde Bitterkeit und 
Revanchebedürfniß mehr als nöthig zu hinterlassen, müßten wir 
vermeiden, vielmehr uns die Möglichkeit, uns mit dem heutigen 
Gegner wieder zu befreunden, wahren und jedenfalls den öst- 
reichischen Staat als einen Stein im europäischen Schachbrett 
und die Erneurung guter Beziehungen mit demselben als einen 
für uns offen zu haltenden Schachzug ansehn. Wenn Oestreich 
schwer geschädigt wäre, so würde es der Bundesgenosse Frank- 
reichs und jedes Gegners werden; es würde selbst seine anti- 
russischen Interessen der Revanche gegen Preußen opfern. 
Auf der andern Seite könnte ich mir keine für uns annehm- 
bare Zukunft der Länder, welche die östreichische Monarchie 
bildeten, denken, falls letztre durch ungarische und slavische Auf- 
stände zerstört oder in dauernde Abhängigkeit versetzt werden 
sollte. Was sollte an die Stelle Europas gesetzt werden, welche 
der östreichische Staat von Tirol bis zur Bukowina bisher 
ausfüllt? Neue Bildungen auf dieser Fläche könnten nur dauernd 
revolutionärer Natur sein. Deutsch-Oestreich könnten wir weder 
ganz noch theilweise brauchen, eine Stärkung des preußischen 
Staates durch Erwerbung von Provinzen wie Oestreichisch-Schle- 
sien und Stücken von Böhmen nicht gewinnen, eine Verschmel- 
zung des deutschen Oestreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, 
Wien als ein Zubehör von Berlin aus nicht zu regiren sein. 
Wenn der Krieg fortgesetzt würde, so wäre der wahrschein- 
1) Diese Worte enthalten zusammenfassend das bei Sybel a. a. O. 
Mitgetheilte; das Nachfolgende dient als Ergänzung des Actenmaterials 
von Sybel.
	        
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