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Bernsteinwerke der Firma Stantien & Becker
zu Königsberg vom Staat angekauft. Sie
werden seitdem vom Staat in eigener Regie
unter einem Direktor (Direktion der Bern-
steinwerke in Königsberg) betrieben.
Bertillonsches Verfahren ist ein vornehm-
lich für die gerichtliche Polizei, insbesondere
für den Erkennungsdienst wertvolles, von
dem Franzosen Bertillon begründetes Ver-
fahren, welches durch eingehende Messungen
besonders charakteristischer und im allgemeinen
wenig veränderlicher Körperteile die Feststel-
lung festgenommener Verbrecher oder verdäch-
tiger Personen wesentlich erleichtert und durch
seine internationale Verbreitung und, da in
den Hauptstädten der meisten Kulturstaaten
die gleichen Alaße genommen und die auf-
genommenen Mleßkarten nach denselben Grund-
sätzen in die Sammelkästen eingeordnet wer-
den, eine große Bedeutung erlangt hat. Ge-
messen werden namentlich gewerbsmäßige
Verbrecher oder des gewerbsmäßigen Ver-
brechertums Verdächtige sowie infolge gericht-
licher Bestrafung Ausgewiesene, sodann Per-
sonen, bei denen mit Grund vermutet wird,
daß sie sich falsche Ramen beilegen, Personen,
die wegen Vergehen gegen das Eigentum fest-
genommen sind und von denen vermutet wird,
daß sie auch in Zuhunft das Interesse der
Sicherheitsbehörden auf sich ziehen werden,
Personen, die als Landstreicher bekannt,
der gewerbsmäßigen Bettelei überführt oder
dringend verdächtig, sowie die wegen Dieb-
stahls vorbestraft oder in Untersuchung gewesen
sind (Erl. vom 10. Juni 1899).
Für die Einordnung der Meßkarten wer-
den folgende Registriermaße zugrunde ge-
legt: 1. Kopflänge, 2. Kopfweite, 3. Mittel-
lingerlänge. 4. Fußlänge, 5. Unterarmlänge,
6. Kleinfingerlänge, 7. Jochbeinbreite, 8. Augen
(nach der in der IJris vorhandenen Farbstoff-
menge). Aeuerdings ist ein automatischer BRe-
gistrierapparat erfunden worden, durch welchen
Schreibfehler vermieden werden. In neuerer
Zeit ist dem Meßverfahren die Daktylo-
skopie an die Seite getreten, welche in vieler
Beziehung vor dem Meßverfahren den Vorzug
verdient. Sie beruht auf der Wahrnehmung,
daß auf der Innenseite der menschlichen, nach
allen Richtungen hin von Linien durchzogenen
Hand neben den durch Offnen und Schließen der
Hand entstehenden groben Furchen weit zahl-
reichere unauffällige Linien vorhanden sind,
welche an den Fingerköpfen eigenartige Muster
zeigen, die bei den einzelnen Mienschen ver-
schieden sind und sich nicht verändern. Man
hat diese Muster nach verschiedenen charakte-
ristischen Merkmalen in Gruppen geteilt und
gefunden, daß diese sich auch bei grober Hand-
arbeit wenigstens nicht ganz verändern, sich
nur schwer zerstören lassen, sich wieder bilden
und auch bei Leichen noch lange nachweisbar
sind. Durch Abnahme von Abdrücken wird
es möglich, die Persönlichkeit von Kindheit an
zu registrieren und damit ein besonders zu-
verlässiges Erkennungsmittel zu schaffen, das
auch durch geringe Kostspieligheit sowie Unab-
hängigkeit von bestimmten Aufnahmestellen und
von besonderen Instrumenten sich auszeichnet.
Bertillonsches Verfahren — Berufsgenossenschaften.
Die Befugnis der Polizeibehörden zur Auf-
nahme nach dem Bertillonschen Meßverfahren
und auf dem Wege der Daktyloskopie ergibt
sich nach dem Urt. des RSt. 32, 199 aus
der gesetzlich anerkannten Obliegenheit der
Polizei, die nötigen Anstalten zur Erhal-
tung der öffentlichen Sicherheit zu treffen
(AL. II, 17 §10), und steht auf gleicher Stufe
mit anderen Signalementsaufnahmen, sofern
sie sich von dem Charakter Börperlicher Miß-
handlung fern hält.
Berufsgenossenschaften. I. Allgemeines.
B sind Träger der Unfallversicherung. In ihnen
sind zwecks Durchführung der Versicherung auf
Gegenseitigkeit die Unternehmer aller Betriebe,
für welche die betreffende B. errichtet ist, ver-
einigt. Dabei folgen Nebenbetriebe dem Haupt-
betriebe (GU VW. § 28 Abs. 2; LUB. 81
Abs. 2, 3; BU V. 8§ 12 Abs. 2; SUVö. F 1
Abs. 2). Eine Ulbersicht der bestehenden B.
ist in den A#. 18, 423 veröffentlicht. Es
werden gewerbliche und landwirtschaftliche B.
unterschieden. Von ersteren bestehen zurzeit
66, von letzteren 48. Unter den gewerblichen
B. hat die Tiefbau= und Seeunfallversicherung
eine besondere gesetzliche Regelung erfahren.
Die B. können unter ihrem Namen Rechte
erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor
Gericht klagen und verklagt werden. Für ihre
Verbindlichkeiten haftet den Gläubigern nur
das Genossenschaftsvermögen (GlV. 8 28
Abs. 5, 6; LUVG. 8 33 Abs. 4, 5; BU . 8 14;
UVS. § 32 Abs. 4, 5). Die B. haben bei
Unfällen, die sich in den Betrieben ihrer Wit-
glieder ereignen, die Entschädigungen (s. Un-
fallversicherung) zu leisten.
Unfälle in fremden Betrieben hat die B.
dann zu entschädigen, wenn sich diese Unfälle
bei Betriebshandlungen ereignen, zu welchen
ein der B. angehörender Betriebsunternehmer
den Auftrag gegeben und für welche er die
Löhne zu zahlen hat (GU#V. 8§ 28 Abk. 4;
LU BWG. 8§ 33 Abs. 3; BU VW. 8 7; SUS.
§ 32 Abs. 3; Al. 18 S. 181, 183; 19 S. 347,
383; 20, 195). -eben den B. bestehen für die
Durchführung der Unfallversicherung Versiche-
rungsanstalten (s. Bauunfallversicherung
und Seeunfallversicherung) und Aus-
führungesbehörden (s. d.).
II. Mitgliedschaft. Mitglied der B. ist
jeder Unternehmer eines Betriebs derjenigen
Gewerbszweige, für welche die B. errichtet ist,
sofern der Betrieb im Bezirke der B. seinen
Sitz hat. Die Mitgliedschaft beginnt mit dem
Zeitpunkte der Eröffnung des Betriebes oder
des Beginns der Versicherungspflicht ((. d.).
Stimmberechtigt ist jedes Mitglied, das sich
im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet.
Die Feststellung der Mitgliedschaft ist bei den
einzelnen Arten der Unfallversicherung (s. d.)
verschieden.
1. Gewerbliche B. und Tiefbauberufs=
genossenschaften. Jeder Unternehmer eines
versicherungspflichtigen Betriebes ist verpflichtet,
binnen einer Woche, nachdem er Mitglied einer
Genossenschaft geworden ist, der unteren Ver-
waltungsbehörde, in deren Bezirke der Be-
trieb belegen ist, eine Anzeige in zwei Exem-
plaren zu erstatten, welche a) den Gegenstand