Einheitsschule.
verfolgt (BGB. 8 61 Abs. 2). Unter „poli-
tischen“ Zwecken sind solche zu verstehen,
welche den Staat, seine Gesetzgebung und Ver-
waltung, das Verhältnis des Staates zu sei-
nen Untertanen und das Verhältnis der Staa-
ten zueinander betreffen (s. Vereine). Politi-
sche Zwecke in diesem Sinne verfolgt auch ein
Verein, dessen Bestrebungen auf Beeinflussung
der Gesetzgebung und Verwaltung des Staa-
tes zur Erreichung eines bestimmten Zweckhes
(3. B. der Zulassung der Feuerbestattung oder
des Verbotes der Bivisektion) gerichtet sind
(O. 39, 446; 42, 414), sowie ein Verein,
der sich die Einwirkung auf kommunale Wah-
len zur Aufgabe macht (OVG.39, 443). „Sozial-
politische" Zwecke sind solche, die auf An-
derung der sozialen Zustände, der Verhältnisse
zwischen verschiedenen Gesellschaftsklassen, ge-
richtet sind. Demnach gehören nicht hierzu
soziale Bestrebungen, welche die gleiche Rich-
tung haben, wie die des Staates, seine Be-
strebungen nur unterstützen und ergänzen, wie
z. B. die Sorge um die verwahrloste Jugend,
für Rinderbewahranstalten u. dgl. S#- 41
400). „Religiöse“ Zwecke sind solche, die
sich auf Befriedigung religiöser Bedürfnisse,
also der religiösen Erbauung, der Religions=
ausübung, auf die Verbreitung und Vertiefung
religiöser Uberzeugungen und Empfindungen
sowie auf hirchliche Einrichtungen beziehen.
Jedoch macht ein Zusammenhang der Be-
strebungen eines Vereins mit der Religion
ihn noch nicht zu einem religiöse Zwecke ver-
folgenden (OV. 39, 448), ebenfowenig die
lusübung von Barmherzigkeit und Mächsten-
liebe (O#VG. 44, 439). Erziehungs-- und Un-
terrichtszweche werden dadurch, daß sie auch
die religiöse Erziehung und den Peligions-
unterricht umfassen, nicht zu religiösen in dem
erwähnten Sinne (OV. 41, 401). Bei der
Feststellung, welche Zwecke ein Verein verfolgt,
ist zunächst der Inhalt seiner Satzung, daneben
aber, namentlich behufs Auslegung der Satzung,
seine bisherige Tätigkeit zu berüchsichtigen.
fat der Verein vor der Anmeldung noch nicht
estanden, so ist nur der Inhalt der Satzung
maßgebend. Hat er dagegen schon vorher be-
nenden und tatsächlich einen aus seiner Satzung
aoct ersichtlichen politischen, sozialpolitischen
er religiösen Zweck verfolgt und liegt kein
rund zu der Annahme vor, daß er diesen
7 aufgegeben habe, so darf davon aus-
vesangen werden, daß er ihn auch weiterhin
folgen will („V. 44, 439) In dem Ein-
ruch braucht der Grund für seine Erhebung
6 Eangegeben zu werden (O. 41, 399).
och rhebung ist nur in einer Frist von sechs
un en nach der Mitteilung über die Anmel-
Erhs es Vereins zulässig (Be# B. § 63). Die zur
tun eung des Einspruchs berechtigten Verwal-
96. ehörden sollen vorher die Entscheidung
ob Ei egierungspräsidenten darüber einholen,
1899 nspruch zu erheben ist (Erl. vom 29. Dez.
stimmur l. 1900, 9). Dieser hat die Be-
es si ch# des Kultusministers zu erbitten, wenn
in den einen Verein handelt, dessen Zwecke
niste eschäftsbereich des bezeichneten Mi-
Gebt fallen, insbesondere sich auf Kirchlichem
ewegen (Erl. vom 6. Febr. 1904 —
U.
Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung.
401
Ml. 78). Wird Einspruch erhoben, so hat
ihn das Amtsgericht dem Vorstande des Ver-
eins mitzuteilen. Uber die Rechtmäßigkeit des
Einspruchs entscheidet der Bezirksausschuß im
Verwaltungsstreitverfahren (BGB. 8§ 62; V.
vom 16. Nov. 1899 — GS. 562 — Art. 3). Die
betreffende Klage kann nur darauf gestützt
werden, daß die gesetzlichen Voraussetzungen
für die Erhebung des Einspruchs nicht vor-
lägen, jedoch nicht darauf, daß die Erhebung
des Einspruchs im öffentlichen Interesse nicht
erforderlich gewesen sei (OV. 39, 441). Sie
ist an keine Frist gebunden (O##. 44, 439).
Die Eintragung des Vereins in das Vereins-
register darf erst erfolgen, wenn entweder die
zum Einspruch berechtigte Verwaltungsbehörde
dem Amtsgerichte mitgeteilt hat, daß Einspruch
nicht erhoben werde, oder wenn die sechs-
wöchentliche Einspruchsfrist abgelaufen, ohne
daß Einspruch erhoben worden, oder wenn der
erhobene Einspruch endgültig aufgehoben ist
(B. 8 63).
IV. Die Entziehung der Rechtsfähigkeit
KkKann einem Vereine gegenüber erfolgen, wenn
er durch einen gesetzwidrigen Beschluß der
Mitgliederversammlung oder durch gesetzwidri-
ges Verhalten des Vorstandes das Gemein-
wohl gefährdet. Dasselbe Kkann geschehen gegen-
über einem Verein, dessen Zweck nach der
Satzung nicht auf einen wirtschaftlichen Ge-
schäftsbetrieb gerichtet ist, wenn er einen solchen
Zweck verfolgt, sowie gegenüber einem Verein,
der nach der Satzung einen politischen, sozial-
politischen oder religiösen Zweck nicht hat,
wenn er einen solchen Zweck verfolgt. Endlich
kann einem Verein, dessen Rechtsfähigkeit auf
Verleihung beruht, diese entzogen werden,
wenn er einen andern als den in der Satzung
bestimmten Zweck verfolgt. Uber die Entziehung
entscheidet der Bezirksausschuß im Verwal-
tungsstreitverfahren. Für die Erhebung der
Klage ist der Landrat, in Gentsreisen die
Ortspolizeibehörde zustän dig (BöB. S8 43, 44
Abs. 1; V. vom 16. Aov. 1899— GS.562 — Art. 2).
Beruht die Rechtsfähigkeit des Vereins auf
Verleihung durch den Bundesrat (s. o. D, so
erfolgt auch ihre Entziehung durch Beschluß
des Bundesrats (BöB. F 44 Abs. 2).
Einheitsschule. Der Gegensatz, welcher zwi-
schen den Vertretern der humanistischen und
realistischen Bildung bei der „Reform der
höheren Schulen“ hervortrat, legte vielen
den Gedanken nahe, in einer „Einheits-
schule“ diese verschiedenen Bildungswege zu
verschmelzen. Aber man erkannte bald, daß
dieser Gedanke mit dem Reichtum deutscher
Kultur und deutschen Geisteslebens unver-
träglich sei, man sah, daß das Bildungs-
ziel auf verschiedenen Wegen erreichbar sei,
wenn nur diese getrennten Schulen von einem
einheitlichen nationalen Geiste erfüllt, von
dem gemeinsamen Bande der vaterländischen
Erinnerungen umfangen würden. Dagegen
ist aus praktisch-sozialen Gründen der Versuch
eines gemeinsamen Unterbaus für alle höheren
Schulen gemacht durch die Reformschule nach
Frankfurter oder Altonaer System in ver-
schiedener Weise und Begrenzung, s. GEym-
nasien 1 (U BBl. 1892, 347).
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