Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gutsherrschaften. 
gemein aufgehoben. Hierdurch wurde zwar 
nur die persönliche Stellung der Beteiligten 
betroffen, insbesondere wurden dadurch die 
bäuerlichen Besitzer noch nicht Eigentümer 
ihrer Stellen; aber schon das kurz darauf 
erlassene Regulierungsedikt vom 14. Sept. 1811 
(GS. 285) verlieh ihnen die Regulierungs— 
fähigkeit, d. h. das Recht, auf den Erwerb 
des vollen Eigentums der von ihnen seither 
nur zu lassitischen Rechten besessenen Stellen 
und Wegfall der darauf haftenden Dienste 
und Abgaben gegen Abtretung von der Regel 
nach einem Drittel (bei seither erblichen) oder 
der Hälfte (bei seither nicht erblichem) Besitz 
der Stelle an den Gutsherrn. Diese ganz 
allgemein gewährte Regulierungsfähigkeit 
wurde aber schon durch die Deklaration vom 
29. Mai 1816 (GS. 154) wieder eingeschränkt, 
und zwar auf diejenigen katastrierten selb— 
ständigen Ackernahrungen, die in weit 
zurückliegenden Normaljahren mit bäuerlichen 
Wirten besetzt gewesen waren. Sie schloß 
dadurch alle die zahlreichen kleineren Stellen 
von der Regulierung aus und hatte zur Folge, 
daß diese von den Gutsherren allmählich 
wieder eingezogen und also wieder gutsherr— 
liches Land wurden. Für die seither bereits 
zu Eigentum oder Erbpacht besessenen Grund- 
stücke bestimmte die Ablösungsordnung vom 
7. Juni 1821 (GS. 77), daß die meisten der 
darauf haftenden Dienste und Abgaben ab- 
gelöst werden konnten. Die Vorschriften aller 
dieser, zunächst nur für den damaligen Um- 
fang der Monarchie erlassenen Gesetze wurden 
allmählich durch zahlreiche spätere Gesetze in 
die übrigen Teile des Staates eingeführt. 
Eine neue ausgedehnte und einheitliche Re- 
gelung erfuhren die darin behandelten Gegen- 
stände durch das im Anschluß an Art. 42 Bl. 
erlassene AblGS. vom 2. März 1850 (GS. 77), 
das namentlich nicht nur eine große Anzahl 
aus dem gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnis 
herrührender Berechtigungen und Verpflich- 
tungen ohne Entschädigung aufhob, sondern 
auch die Regulierungsfähigkeit wieder auf die 
früher ausgeschlossenen kleinen Stellen aus- 
dehnte, an Stelle der Landabtretung Geld- 
entschädigung setzte und im übrigen auch alle 
beständigen Abgaben und Leistungen für ab- 
166Sbar erklärte (vgl. unter Ablösung der 
Reallasten). Endlich wurden durch G. vom 
16. März 1857 (GS. 235) im Anschluß an § 78 
Abl G. vom 2. März 1850 alle Regulierungs- 
ansprüche ausgeschlossen, soweit sie nicht bis 
zum 31. Dez. 1858 bei der Auseinandersetzungs- 
behörde angemeldet waren. Die Regulierungs- 
vorschriften des G. vom 2. März 1850 hatten 
Geltung im ganzen Umfange der damaligen 
Monarchte mit Ausnahme der westlichen 
Teile, wo ein zur Regulierung geeigneter Be- 
sitz nicht mehr bestand, und Ae 
und Rügen; in letzteren Gebietsteilen sind 
sie aber mit verschiedenen Anderungen durch 
G. vom 12. Juni 1892 (GS. 127) eingeführt 
worden. Die Regulierung konnte, weil den 
Gutsherren für ihre Bechte Landabfindung, 
und zwar soweit möglich in wirtschaftlichem 
Zusammenhange gewährt werden mußte, so- 
wohl da, wo früher bereits eine General- 
euvorpommern J 
  
757 
separation stattgefunden hatte, als auch, wo 
das nicht der Fall war, meist nicht ohne 
eine umfangreiche Vertauschung des Grund- 
besitzes ausgeführt werden; vielfach wurde 
damit auch noch eine Spezialseparation der 
einzelnen bis dahin in der Gemengelage ver- 
bliebenen bäuerlichen Besitzer verbunden. Sie 
führte daher meist zu einer völligen Umwäl-= 
zung der Verhältnisse der der Regulierung 
unterworfenen Feldmark und ihrer Besitzer. 
Da hierdurch nicht nur die privatrechtlichen, 
sondern auch die öffentlichrechtlichen Verhält- 
nisse betroffen wurden und die mit Ausfüh- 
rung der Regulierung beauftragte General- 
kommission nicht nur befugt, sondern auch 
verpflichtet war, in beiden Beziehungen völlig 
beruhigte Zustände zu schaffen, so bilden die 
von ihr aufgenommenen „Regulierungsre- 
zesse“ noch heute in manchen Beziehungen 
einen Teil der Ortsverfassung. Die Regulie- 
rungen sind jetzt, nachdem etwa 84000 Eigen- 
tümer mit einem Besitz von 1408690 ha regu- 
liert worden sind, beendigt. Auf eine Dar- 
stellung der Entwickhlung der gutsherrlich- 
bäuerlichen Verhältnisse in den seit 1866 mit 
dem preuß. Staate vereinigten Landesteilen 
kann verzichtet werden. egen Aufhebung 
der daraus herrührenden Abgaben ogl. Ab- 
lösung der Reallasten und im übrigen 
Separationen, Gemeinheitsteilungen. 
Gutsherrschaften. I. Neben den Dorfsge- 
meinden hat es in Deutschland schon im 
frühen Mittelalter ländliche Besitzungen von 
Grundherrn gegeben, die durch deren Hörige 
bebaut wurden. Nach der Zeit Karls des 
Großen trat vielfach eine Unterordung des 
kleinen bäuerlichen Grundbesitzes unter die 
größeren Grundherrn ein. Letzteren wurde 
vielfach die Immunität, d. h. die Frei- 
heit von der Amtsgewalt der kgl. Beamten, 
für ihre Gutsfeldmarken gewährt, wodurch 
diese mit ihren Bewohnern der obrigkeitlichen 
Gewalt des Grundherrn unterworfen und die 
früher freien Bauerngemeinden zum größten 
Teil in grundherrliche Dörfer umgewandelt 
wurden. MNeben dieser Entwichelung in den 
älteren deutschen Gebieten ging die Bildung 
eines ritterschaftlichen Großgrundbesitzes in 
den deutschen Ostmarken her. Hier bewog 
das Bedürfnis der Landesverteidigung die 
Landesherren, einen großen Teil des von ihnen 
erworbenen oder eroberten Landbesitzes an 
den ritterbürtigen Adel mit der Verpflichtung 
zu ritterlichen Kriegsdiensten zu übertragen. 
Die in dieser Weise verliehenen Güter wurden 
Rittergüter oder adlige Güter genannt. 
Sie standen unmittelbar unter dem landes- 
errlichen Beamten (Vogt) und waren frei von 
bgaben. Staatliche Hoheitsrechte besaßen sie 
anfangs nicht, erhielten solche jedoch vom 13. 
ahrh. ab dadurch, daß die Landesherrn, 
um Geldmittel zur Bezahlung ihrer Schulden 
zu erhalten, einen Teil ihrer Hoheitsrechte über 
die bäuerlichen Besitzer an die Ritterguts- 
besitzer verkauften. Insbesondere gelangten 
auf diese Weise ein Besteuerungsrecht (Bede), 
der Hufenzins, bäuerliche Aaturaldienste, das 
kirchliche Patronat und die Gerichtsbarkeit 
über die Bauerndörfer allmählich in die Hand
	        
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