Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Justizamt (Reichs-) — Justizminister. 
keitsfragen jedenfalls nicht allein maßgebend, 
sie überwiegen nur, und die Gesetze müssen 
von den Verwaltungsbehörden genau so be- 
obachtet und angewendet werden, wie von 
den Justizbehörden. Es dürfte überhaupt nicht 
möglich sein, ein durchschlagendes Merkmal, 
welches die J. und die Verwaltung voneinander 
scheidet, zu finden, und die neuere Theorie 
begnügt sich mit dem Satze, daß die Verschie- 
denheit beider sich geschichtlich entwichkelt habe 
und der J. das zuzuweisen sei, was auf Grund 
der geschichtlichen Entwicklung als zu ihr ge- 
hörend angesehen werde. Prakktisch läßt sich bloß 
unterscheiden, se nachdem gemäß den geltenden 
positiven Vorschriften eine Angelegenheit vor 
den Gerichten und ihren Hilfsorganen zu er- 
ledigen ist oder nicht, wobei freilich wegen des 
Mangels einer Vorschrift oder wegen deren 
Unklarheit im einzelnen manche Zweifel dar- 
über bleiben, ob man es mit einer Justiz- 
oder mit einer Verwaltungssache zu tun hat. 
Eine gewisse Zwischenstellung zwischen der 
J. und der Verwaltung nimmt die sog. Ad- 
ministrativjustiz, Verwaltungsjustiz oder Ver- 
waltungsgerichtsbarkeit ein, die zwar zur 
Verwaltung gehört, bei der aber doch inner- 
halb derselben in den Formen der J. verfahren 
wird (s. Verwaltungsstreitverfahren). 
Vgl. auch Rechtsweg und Kompetenz- 
konflikte. 
Iusstizamt (Reichs-) s. Reichsjustizamt. 
ustizanwärter s. Gerichtsschreiberei 
und Gerichtsschreiber IHI. 
Justizaufsicht. I. Bei den ordentlichen Ge- 
richten steht das Recht der Aufsicht zu 1. dem 
IM. hinsichtlich sämtlicher Gerichte und Staats- 
anwaltschaften, 2. dem Präsidenten des Ober- 
landesgerichts hinsichtlich dieses Gerichts sowie 
der Gerichte des Bezirkes, 3. dem Präsidenten 
des Landgerichts hinsichtlich dieses Gerichts 
sowie der Gerichte des Bezirkes, 4. dem Ober- 
staatsanwalt und dem Ersten Staatsanwalte 
hinsichtlich der Staatsanwaltschaften ihres Be- 
zirkes und 5. dem ersten Beamten der Staats- 
anwaltschaft bei einem Amtsgerichte hinsichtlich 
dieser Staatsanwaltschaft. Das Recht der 
Aussicht erstrecht sich auf alle bei den bezeich- 
neten Behörden angestellten oder beschäftigten 
Beamten (AG. z. GVG. 8§ 78). Bei den nur 
mi§ einem Richter besetzten Amtsgerichten steht 
dem Amtsrichter die Aufsicht über die bei dem 
Amtsgericht angestellten oder beschäftigten 
nichtrichterlichen Beamten ausschließlich der bei 
den Gerichten beschäftigten Gerichtsassessoren, 
aber einschließlich der dem Amtsgerichte zur Aus- 
bildung — nicht auch der mit der einstweiligen 
Wahrnehmung richterlicher Geschäfte beauftrag- 
ten und insoweit wie die Assessoren zu den richter- 
lichen Beamten zu zählenden — überwiesenen 
Referendare und der Gerichtsvollzieher zu. 
Bei den mit mehreren MRichtern besetzten Amts- 
gerichten wird diese Aussicht durch den JM. 
einem der Amtsrichter übertragen; ist die Zahl 
der Richter höher als 15, so kann die Dienst- 
aufsicht zwischen mehreren von ihnen getelh 
werden (GV. § 22; A. z. GV. S 79). 
Von dem Aussichtsrichter werden auch die An- 
gelegenheiten der Justizverwaltung bearbeitet 
(Allg f. vom 21. Juli 1879 — JWBl. 198 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Ver waltung. 
  
881 
Nr. I). Seine Vertretung liegt regelmäßig dem 
dienstältesten Richter ob (Allg Bf. vom 29. Mai 
1885 — JM3Bil. 174). Bei dem Amtsgericht I 
in Berlin, jetzt Berlin-Mitte, wird der die 
Dienstaufsicht führende Richter (Amtsgerichts- 
präsident) vom König ernannt und hat auch 
über die richterlichen Beamten an Stelle des 
Landgerichtspräsidenten die Aufsicht zu führen 
(H. vom 10. April 1892 — GS. 77; G. vom 
16. Sept. 1899 — GS. 391 — §3; Allg Bf. vom 
4. Sept. 1900 — JlllBl. 559; V. vom 7. Vov. 
1904 — G. 281). Bezüglich der Notare steht 
die Aussicht zu dem IJMl. über alle Notare, 
dem Präsidenten des Oberlandesgerichts über 
die Aotare des Oberlandesgerichtsbezirks und 
dem Präsidenten des Landgerichts über die 
Notare, welche ihren Amtssitz in dem Bezirke 
des Landgerichts haben (Pr#e#. Art. 91). 
Die Beamten der dem JMl. unterstehen- 
den Gefängnisse, welche noch ein anderes 
Amt bekleiden, unterliegen den für ihre son- 
stige amtliche Stellung maßgebenden Vor- 
schriften über die Aufsicht. Auf die Gefängnis- 
beamten, welche ausschließlich für den Gefäng- 
nisdienst angestellt sind, finden die Bestimmun- 
gen hinsichtlich der bei der Staatsanwaltschaft 
angestellten Beamten Anwendung. Steht je- 
doch dem Gefängnis ein Amtsrichter vor, so 
kommen die für Gerichtsbeamte geltenden 
Vorschriften zur Anwendung. Die Vorsteher 
der besonderen Gefängnisse stehen unmittelbar 
unter der Aufsicht des Oberstaatsanwalts (Ge- 
fängnisordnung für die Justizverwaltung vom 
21. Dez. 1898 — Jll Bl. 292 — 8§ 25). 
II. In dem Rechte der J. liegt stets die 
Befugnis, die ordnungswidrige Ausführung 
eines Amtsgeschäfts zu rügen, und gegenüber 
nichtrichterlichen Beamten die, die Erledigung 
eines Amtsgeschäfts durch Ordnungsstrafen, 
deren Festsetzung eine Androhung vorausgehen 
muß, bis zum Gesamtbetrage von 100 Ml zu 
erzwingen, gegenüber richterlichen Beamten 
aber bloß die, zu rechtzeitiger und sachgemäßer 
Erledigung des Amtsgeschäfts zu ermahnen. 
Der richterliche Beamte kann darauf die Ein- 
leitung der Disziplinaruntersuchung beantra- 
gen, weil ihm eine Ordnungswidrigkeit oder 
Säumnis in der Erledigung eines Amtsge- 
schäfts nicht zur Last falle. Diesem Antrage 
muß stattgegeben werden. In dem Diszipli- 
narurteil ist dann zugleich über die Aufrecht- 
erhaltung oder Aufhebung der im Aufsichts- 
wege getroffenen Maßregeln zu erkennen (A-. 
.GB. 8 80; G., betr. die Abänderung von 
Bestimmungen der Disziplinargesetze, vom 
9. April 1879 — GS. 345 — § 23; PrG. 
Art. 93 AbsZ 2). 
S. auch Aufsicht und Justizverwaltung. 
Justizbeamte und Justizbehörden s. Ge- 
richtsbeamte und Gerichte und Gerichts- 
verfassung. 
Justizdienst (Regulative für die Vorbe- 
reitung und Prüfung dazu) s. Richteramt. 
Justizminister. I. Außerhalb der Justiz- 
verwaltung, an deren Spitze der JM. steht, 
und außer den ihm infolge seiner Stellung 
als Mitglied des St M. zukommenden Ge- 
schäften — darunter der Teilnahme an den 
Disziplinarentscheidungen des St M. (l. Dis- 
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