Kammergericht — Kammern für Handelssachen.
Hann St O. vom 24. Juni 1858 (Hann G. I, 141)
in jeder Stadt für die Rechnungs= und RKassen-
führung unter der Leitung des Magistrats
ein K. angestellt werden, dessen Amt mit dem
eines Magistratsmitgliedes unvereinbar ist.
Er wird auf Lebenszeit ernannt; die Besol-
dung darf nur in einem bestimmten Geld-
betrage und Dienstwohnung bestehen (68 45,
48 Abs. 1). Für kleinere Städte können die
Anstellungsbedingungen durch Ortsstatut an-
derweit geregelt werden (§ 45 Abs. 1). Die
Besetzung des Amtes erfolgt durch Wahl
seitens der städtischen Kollegien nach den für
die Wahl der Magistratsmitglieder geltenden
Vorschriften 6 51, 53, 56). Nach § 50 Abs. 1
u. 2 darf der K. mit den Magistratsmitgliedern
nicht in den beiden ersten Graden verwandt
oder verschwägert sein. Im übrigen gelten für den
K. dieselben Bestimmungen wie für den Stadt-
sekretär (s. d.).
Kammergericht. Das K. in Berlin ist der
älteste Gerichtshof Preußens. Es wird als
das am Rurfürstlichen Hoflager tagende höchste
landesherrliche Gericht zuerst in einer Bestal-
lung vom 17. März 1468 genannt. Kurfürst
Joachim I. erließ 1516 eine Kammergerichts-
ordnung und Kurfürst Joachim II. die Refor-
mation vom 8. März 1540. Seitdem hat das
K. mannigfache Schicksale erfahren und sich,
abgesehen von ganz vorübergehenden Zeiten,
stets großen und allgemeinen Ansehens er-
freut, das einen bekannten Ausdruck in den
freilich nur sagenhaften Worten des Müllers
von Sanssouci zum Könige Friedrich II.: „Ja,
wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre“
gefunden hat. Jetzt hat das K. an sich nur
die Stellung eines Oberlandesgerichts, dem
sein besonderer AName durch den AE. vom
1. Sept. 1879 (GS. 587) beigelegt worden ist.
Es unterscheidet sich aber doch noch von den
übrigen Oberlandesgerichten nicht unwesent-
lich zunächst dadurch, daß ihm ausschließlich
für ganz Preußen übertragen sind: 1. in
Strafsachen die Verhandlung und Entscheidung
über die nicht zur Zuständigkeit des R. ge-
hörenden Revisionen gegen Urteile der Straf-
kammern in erster Instanz, sowie über die
Revisionen gegen Urteile der Strafkammern
in der Berufungsinstanz und über alle Be-
schwerden gegen Entscheidungen der Straf-
kammern, sofern eine nach Landesrecht straf-
bare Handlung den Gegenstand der Unter-
suchung bildet Ec. z. GV. 8 9; A.z. GVG.
§ 50); 2. in den Angelegenheiten der frei-
willigen Gerichtsbarkeit die Entscheidung über
das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde, so-
fern nicht ausnahmsweise Beschwerde nach den
Vorschriften der 3 PO. stattfindet. Hängt je-
doch nach Auffassung des K. die Entscheidung
von der Auslegung eines in dem Bezirke des
K. nicht geltenden Gesetzes ab, so kann die
weitere Beschwerde demjenigen Oberlandes-
gerichte zur Entscheidung überwiesen werden,
zu dessen Bezirke das Landgericht gehört,
welches die angefochtene Entscheidung erlassen
at (F#. § 28 Abs. 1, § 199 Abs. 1: En.
; 79 Abs. 1, § 102; Pr. Art. 7, 8; G.
über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger
vom 2. Juli 1900 — GS. 264 — 857). Wegen
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der hierbei möglichen Vorlegung an das RG.
s. Oberlandesgerichte II. Das K. tritt
ferner für die Beschwerde gegen eine Ver-
fügung des Landgerichts an die Stelle des
nach § 64 und § 143 #bs 2 Fô. zuständigen
Oberlandesgerichts (FO#. 8§ 199 Abs. 2). Weiter
ist es ausschließlich zuständig für die weitere
Beschwerde im Falle des § 25 der Gebühren-
ordnung für Notare vom 25. Juni 1895/6. Okt.
1899 (GS. 1899, 374) und, soweit nach dem
Prb#h. die Anderung einer Wert= oder
ostenfestsetzung von Amts wegen oder die
Verhandlung und Entscheidung von Be-
schwerden den Oberlandesgerichten als Ge-
richten höherer Instanz oder Beschwerdenge-
richten zusteht, für diese Entscheidungen,
wenn nicht ein anderes Oberlandesgericht
gleichzeitig über eine Beschwerde in der An-
gelegenheit, für welche Rosten in Ansatz
u bringen sind, zu entscheiden hat (PrGKG.
28). Das K. gilt endlich im Sinne der
§ 5, 46 J#. als gemeinschaftliches oberes
Gericht für alle preuß. Gerichte (FG-.
§5 199 Abs. 2 Satz 2; Pr F. Art. 7, 8).
Die mit den Angelegenheiten unter 1 u. 2 be-
faßten Senate des K. haben hiernach auch
jetzt noch zugleich die Obliegenheiten eines
höchsten Gerichtshofes für Preußen (sog. Kleines
Obertribunal). Zur Veröffentlichung ihrer Ent-
scheidungen dient das KGIJ. Außerdem hat
das K. eine besondere Stellung dadurch, daß
1. mit ihm der Geheime Justizrat verbunden
ist (s. d.), 2. bei ihm als Disziplinargericht
erster und zweiter Instanz für richterliche Be-
amte der große Disziplinarsenat gebildet wird,
3. aus seinen Mitgliedern die richterlichen Mit-
Hleeder des Disziplinarhofs für nichtrichterliche
eamte (G., betr. die Abänderung von Bestim-
mungen der Disziplinargesetze, vom 9. April
1879 — GS. 345— § 13 lK. Disziplinarhof!)
und sechs Mitglieder des Gerichtshofes zur Ent-
scheidung der KRompetenzkonflikte zu entnehmen
sind (s. den Artikel über diesen Gerichtshof#.
Durch den AE. vom 27. Jan. 1906 (GS. 3) ist
dem Präsidenten des K. der Rang der ersten
Klasse der höheren Provinzialbeamten ver-
liehen worden.
Kammerjäger. Der Gewerbebetrieb der K.
ist nicht mehr konzessionspflichtig und kann
auch nicht untersagt werden. Für die Auf-
bewahrung der Gifte (s. d.) durch die K. sind
in der Polizeiverordnung über den Handel mit
Giften vom 22. Febr. 1906 § 19 (HPMl. 115)
Bestimmungen getroffen.
ammern für Handelssachen. I. Allge-
meines. Bereits gegen Ende des Mittel-
alters suchten die Kaufleute vielfach ihre
Streitigkeiten dem gewöhnlichen Zivilprozesse
zu entziehen, indem sie sich entweder besondere
Freiheiten auswirkten oder eigene, lediglich
mit Standesgenossen besetzte Gerichte einführ-
ten. Letzteres geschah namentlich in Frankreich,
wo das erste Handelsgericht im Jahre 1549
zu Toulouse errichtet und die besondere Han-
delsgerichtsbarkeit von der sonst alles gleich-
machenden großen Revolution nicht angetastet
wurde (tribunaux de commerce). Die Ein-
richtung, die zur sachgemäßen Gestaltung des
Zivilprozesses überhaupt wesentlich beigetragen