Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Kammern für 
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hat, verbreitete sich von dort weiter, nament- 
lich in die der franz. Herrschaft unterworfen 
gewesenen Teile Deutschlands. Auch sonst 
wurden seit dem Beginne des 19. Jahrh. 
Handelsgerichte, z. B. in Hamburg und Bremen, 
errichtet, jedoch, abweichend von denen in 
Frankreich, mit einem rechtsgelehrten Vor- 
sitzenden. Das auf Grund des G. vom 12. Juni 
1869 (Böl. 201) im Jahre 1870 eröffnete, 
demnächst durch das B6. ersetzte Bundes-, 
spätere Reichs-Oberhandelsgericht zu Leipzig 
sollte nicht wie die Handelsgerichte dazu 
dienen, die Rechtsprechung in streitigen Han- 
delssachen von der in den gewöhnlichen Zivil- 
sachen zu trennen, sondern bloß die Ein- 
heit der Rechtsprechung für diejenigen Gebiete 
sichern, auf denen Deutschland schon damals 8 
ein einheitliches materielles Recht hatte. Aus 
diesem Grunde und weil es sich nur aus 
rechtsgelehrten Richtern zusammensetzte, war 
es Rkein Handelsgericht im eigentlichen Sinne. 
Seit 1879 gibt es in Deutschland keine Han- 
delsgerichte mehr, sondern nur noch die von 
ihnen durch die Erhaltung des Zusammen- 
hanges mit der gewöhnlichen Gerichtsorgani- 
sation dem Wesen nach verschiedenen K. f. H. 
II. Zuständigkeit. Diese KRammern kön- 
nen, soweit die Landesjustizverwaltung ein Be- 
dürfnis als vorhanden annimmt, bei den Land- 
gerichten für deren Bezirk oder für örtlich ab- 
gegrenzte Teile derselben gebildet werden und 
ihren Sit innerhalb des Landgerichtsbezirks 
auch an Orten haben, an welchen das Land- 
gericht nicht seinen Sitz hat (GVG. 8§ 100), sog. 
detachierte K. f. Ö. In Preußen besteht jetzt 
eine ziemlich große Anzahl von K. f. H. Ver- 
zeichnisse derselben, ihrer Bezirke und der 
Zahl der Handelsrichter und stellvertretenden 
Handelsrichter werden von Zeit zu Zeit im 
Jll. bekanntgemacht. Vor die K. f. H. ge- 
hören von den den Landgerichten in erster In- 
stanz zugewiesenen bürgerlichen Rechtsstreitig- 
keiten die im § 101 GW. bezeichneten, 
namentlich die Ansprüche aus einem Wechsel 
und gegen einen Kaufmann aus beiderseitigen 
Handelsgeschäften, sedoch nur dann, wenn die 
Verhandlung vor der K. f. H. von einer der 
Parteien beantragt wird (SGV. 88 102—107), 
ferner noch einzelne andere ihnen besonders 
zugewiesene Streitigkeiten, wie die über die 
Verpflichtung zur Entrichtung der in dem 
RöStemp . vom 27. April 1894/14. Juni 1900 
(Reib Bl. 1900, 275) festgestellten Abgaben 
(8 43 das.) und die auf Grund des G. zur 
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes 
vom 27. Mai 1896 (Rol. 145) geltend ge- 
machten Ansprüche (§ 15 dieses G.). Außerdem 
treten sie auf dem Gebiete der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit für Handelssachen als Be- 
schwerdegericht und in gewissen weiteren 
Füllen an die Stelle der Zivilkammern (F. 
8 30 Absf. 1, 143, 144, 147). 
III. Besetzung. Die K. f. H. entscheiden in 
der Besetzung mit einem Mitgliede des Land- 
gerichts oder, wenn sie ihren Sitz nicht an dem 
des Landgerichts haben, mit einem Amtsrichter 
als Vorsitzenden und zwei Handelerichtern, 
welche sämtlich gleiches Stimmrecht haben; in 
einzelnen Streitigkeiten kann die Entscheidung 
  
Handelssachen. 
durch den Vorsitzenden allein erfolgen (SGB. 
§§ 109, 110). ber Gegenstände, zu deren 
Beurteilung eine Rkaufmännische Begutachtung 
genügt, sowie über das Bestehen von Handels- 
gebräuchen kann die K. f. H. auf Grund 
eigener Sachhunde und Wissenschaft entscheiden 
(GVG. § 118). Die Bestimmung des Vor- 
sitzenden erfolgt auf die Dauer eines Geschäfts- 
jahres vor dessen Beginn durch den Präsiden- 
ten des Landgerichts, dem auch die Verteilung 
der Geschäfte sowie der Handelsrichter unter 
mehrere Kammern an demselben Orte und die 
Bestimmung der Reihenfolge, in der die Han- 
delsrichter an den Sitzungen teilzunehmen 
haben und die Stellvertreter erforderlichen- 
falls ein zuberufen sind, zusteht (AG. z. GV0. 
46; Allg Bf. vom 26. Juli 1879 — Ill Kl. 
210 — 88§ 4, 5). 
IV. Das Amt der Handelsrichter ist 
ein Ehrenamt. Es kann dazu jeder Deutsche 
ernannt werden, welcher das 30. Lebensjahr 
vollendet hat und als Kaufmann, als Vor- 
stand einer Aktiengesellschaft, als Geschäfts- 
führer einer Gesellschaft mit beschränkter Haf- 
tung oder als Vorstand einer sonstigen 
juristischen Person in das Handelsregister 
eingetragen ist oder eingetragen war. Zum 
Handelsrichter soll nur ernannt werden, wer 
in dem Bezirke der K. f. H. wohnt oder, wenn 
er als Kaufmann in das Handelsregister ein- 
getragen ist, dort eine Handelsniederlassung 
hat; bei Personen, die als Vorstand einer 
Aktiengesellschaft, als Geschäftsführer einer 
Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als 
Vorstand einer sonstigen juristischen Person in 
das Handelsregister eingetragen sind, genügt 
es, wenn die Gesellschaft oder juristische Per- 
son eine Niederlassung in dem Bezirke hat. 
Zu Handelsrichtern können nicht Personen er- 
nannt werden, welche infolge gerichtlicher An- 
ordnung in der Verfügung über ihr Ver- 
mögen beschränkt sind. An Seeplätzen können 
Handelsrichter auch aus dem Kreise der Schiff- 
fahrtskundigen ernannt werden. Die Handels- 
richter haben während der Dauer ihres Amtes 
in Beziehung auf dasselbe alle Rechte und 
Pflichten richterlicher Beamten. Sie sind 
durch den I. Ziovilsenat des Oberlandes- 
gerichts ihres Amtes zu entheben, wenn 
ihnen eine von den für die Ernennung er- 
forderlichen Eigenschaften nachträglich ver- 
loren geht. Vor ihrem Dienstantritte leisten 
die Handelsrichter den Diensteid der Staats- 
beamten (GV. 88 113—117; G., betr. Ande- 
rung des § 113 GV., vom 20. MAärz 1905 
— R. 179 —; Allg Vf. vom 29. Mai 1884 
— IJMl# —l. 108). Sie werden auf gutacht- 
lichen Vorschlag des zur Vertretung des 
Handelsstandes berufenen Organs, insbeson- 
dere also der Handelskammern, für die Dauer 
von drei Jahren vom König ernannt; eine 
wiederholte Ernennung ist nicht ausgeschlossen 
(6W. § 112; AG. z. SVG. 87; Allg f. vom 
10. Dez. 19063 und vom 12. und 16. März 
1904 — JWVBl. 1803, 291; 1904, 66; 5MVBI. 
1903 S. 391, 393; 1904 S. 80, 84, 85), sowie 
vom 11. März 1905 (HMl. 59), wonach die 
Wahlen der von den Handelskammern als 
Handelsrichter vorzuschlagenden Personen ge-
	        
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